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Schattenkabinett: Präsentation von Ministerposten vor Nationalratswahl
Spitzenpolitiker reden gerne und viel. Ihr Lieblingsthema ist es, wie ihre jeweilige Partei dazu beitragen würde, die Misstände im Land zu beseitigen und die Nation generell zu einem besseren Ort zu machen.
Doch abgesehen von der Thematisierung von großen Visionen, verfügt das Gros der Berufspolitiker vor allem über zwei Talente:
- Wenig Inhalt in vielen schönen Worten verpacken
- Auf Fragen ausweichende Antworten zu geben
Besonders von Letzterem wird besonders zu Wahlkampfzeiten immer öfter Gebrauch gemacht. Auf Fragen über den bevorzugten Koalitionspartner oder Ministeramtskandidaten in der eigenen Partei werden zumeist unbefriedigende Antworten gegeben. Eine Standardreaktion besteht etwa in der Versicherung, dass man sich darüber erst Gedanken machen würde, wenn die Wahl vorbei ist.
In anderen Ländern wie Großbritannien oder Deutschland ist die Präsentation eines sogenannten Schattenkabinetts vor einer Wahl gang und gäbe. Unter dem Begriff versteht man das potentielle Regierungsteam, das eine Partei im Wahl zusammenstellt und das bestenfalls die spätere Regierung oder zumindest einen Teil davon bilden soll. Ein damit verwandtes Phänomen ist das Kompetenzteam. Hier stellen Parteien keine komplette potentielle Regierungsmannschaft auf, allerdings wird eine Gruppe an Spitzenpolitikern der jeweiligen Parteien präsentiert, die idealerweise, im Falle eines Wahlsieges in der zukünftigen Regierung vertreten sind.
Im Gegensatz dazu wird es in Österreich von den Parlamentsparteien eher vermieden, zu Wahlkampfzeiten ein Schattenkabinett zu präsentieren. Diese Strategie erlaubt es den Spitzenkandidaten, sich grundsätzlich alles offen zu halten. Darüber, wie die Regierung letztendlich aussehen wird und welche Persönlichkeiten in den Regierungsämtern vertreten sind, hat der Wähler in Österreich keinen Einfluss.
Nationalratswahl - Ãœberraschungspaket
Als Wähler kennt man die Spitzenkandidaten, die mit ihren Parteien zur Wahl antreten. Doch wenn die Wahl geschlagen ist, und die Koalitionsverhandlungen eine neue Regierung hervorgebracht haben, stellt die Besetzung des Kabinetts für die meisten eine Überraschung dar. Oftmals ist es so, dass nicht etwa prominente Persönlichkeiten der jeweiligen Parteien mit Ministerämtern betraut wurden, sondern eher unbekannte Gesichter einen großen Teil der Posten in der Regierung übernehmen.
Als Extrembeispiel kann hier die Regierung Schüssel I. angeführt werden, die 2000 angelobt wurde. Hier bildete die drittplazierte ÖVP eine Koalition mit der FPÖ die bei den Nationalratswahlen zweitstärkste Kraft wurde. Diese Regierungsbildung war in vielerlei Hinsicht eine Überraschung.
Das lag zum einem daran, dass die drittplatzierte Partei den Bundeskanzler stellte. Viel ungewöhnlicher war allerdings etwas ganz anderes: Als Spitzenkandidat trat für die Freiheitlichen Jörg Haider an. Haider, der als Galionsfigur des Populismus galt, war wohl für viele Wähler ausschlaggebend dafür, der FPÖ ihre Stimme zu geben. Nach der Wahl zog sich Jörg Haider jedoch aus der Bundespolitik zurück um sich voll und ganz seiner Tätigkeit als Landeshauptmann von Kärnten zu widmen. An seiner Stelle wurde Susanne Riess-Passer Obfrau der Freiheitlichen und Vizekanzlerin. Diese galt zwar als politische Ziehtochter Haiders und ihr wurde absolute Loyalität gegenüber diesem nachgesagt, dennoch kam es schließlich zum Zerwürfnis. Dieser Konflikt endete letztendlich im berüchtigten Parteitag in Knittelfeld und in Neuwahlen - so hatten sich das die Wähler wohl nicht vorgestellt.
Kein Schattenkabinett - alle Optionen offen
Hinter dem Phänomen der Parteien, über das Thema des möglichen Regierungsteams einen Mantel des Schweigens zu breiten steckt natürlich Kalkül: Einerseits hängt das Gelingen der Koalitionsgespräche nicht zuletzt davon ab, welche Ressorts die jeweiligen Beteiligten für sich beanspruchen und natürlich auch, wer diese besetzt. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass manche Ministerämter auch mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzt werden, die bisher nicht politisch tätig waren, wie etwa Sophie Karmasin oder Wolfgang Brandstetter.
Würden Parteien bereits vor der Wahl ihre Kompetenzteams präsentieren, würde das für sie eher Nachteile als Vorteile bringen; zum Beispiel lassen sich Pläne selten 1:1 umsetzen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Parteien bei Koalitionsverhandlungen Kompromisse eingehen und ihre Pläne zugunsten einer Zusammenarbeit über einen Haufen werfen müssen.
Würden Parteien bereits vor der Wahl ihre potentiellen Ministeramtskandidaten präsentieren, so ist es nicht nur unwahrscheinlich, dass diese Pläne auch tatsächlich umgesetzt werden, es bestünde auch die Möglichkeit, die Wählerschaft zu verärgern, da sie ihre Wahl auch von bestimmten Persönlichkeiten abhängig gemacht haben, die in der endgültigen Regierungsbildung letztendlich doch nicht vertreten sind. Auch kann es sein, dass bestimmte Persönlichkeiten, die im Schattenkabinett vertreten sind, manchen Wählern nicht zusagen, wodurch die Partei einen Verlust von Wählerstimmen riskiert.
Kompetenzteams im Wahlkampf - mehr Transparenz
Trotz aller Probleme die sich für die Parteien ergeben, wenn sie bereits im Wahlkampf ihr potentielles Regierungsteam präsentieren - für die Wählerschaft wäre dadurch vieles aufschlussreicher. Ein Wahlprogramm kann noch so klar und detailreich formuliert sein, um dieses umzusetzen braucht es die jeweiligen Ressortleiter. Würden sich die Verantwortlichen bereits während des Wahlkampfes offen dazu bekennen, welche Persönlichkeiten sie im Regierungsteam sehen, anstatt bei derartigen Fragen immer gekonnt auszuweichen, könnte sich der Wähler ein besseres Bild davon machen, in welche Richtung die Partei in den jeweiligen Bereichen tendiert.
Als Wähler könnte man sich so vorab über die jeweiligen Charaktere und ihre Arbeit informieren. Man kann in Erfahrung bringen, ob es sich bei den Kandidaten um Teamplayer, um Hardliner oder um Opportunisten handelt.
Mit anderen Worten: indem man bereits vorab bekanntgibt, welche Kandidaten innerhalb einer Partei als Ministeramtsanwärter gehandelt werden, würde man als Politiker tatsächlich Farbe bekennen, anstatt den Wahlkampf so vage wie möglich zu halten und er wäre dadurch transparenter. Immerhin ist es der Sinn einer Nationalratswahl in Österreich, eine Partei zu wählen und nicht lediglich deren Spitzenkandidaten. Natürlich sollte man bei der Offenlegung dieser Pläne dem Wähler offen kommunizieren, dass diese keineswegs in Stein gemeißelt sind und die endgültige Regierungsbildung immer vom Gelingen der Koalitionsverhandlungen abhängt.
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Tommi
22. August 2017 - 00:09 Uhr
recht aufschlussreicher artikel, umfrage gut und schön, aber wo sieht man die ergebnisse?