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Rechte des Bundespräsidenten
Die maßgeblichen Rechte des Bundespräsidenten
Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Republik Österreich. Er gelobt die Beobachtung und Wahrung von Verfassung und Gesetzen im Staat und ist dazu mit einer gewissen Verfügungsgewalt versehen.
In vieler Hinsicht ist Kompetenz und Macht des Bundespräsidenten zwar – zur Sicherheit des Staatsgebildes – eingeschränkt, doch sind ihm in der Verfassung Möglichkeiten eingeräumt, sich direkt und tatsächlich wirksam in das Gefüge von Staat und Regierung einzuhaken. Sehr wohl kann der Bundespräsident nach eigenem Ermessen die Initiative ergreifen, in das tagespolitische Geschehen einschreiten und so folgenschwere Entscheidungen treffen, durchsetzen oder verhindern. Nicht immer sind in der Geschichte der Republik Österreich die Rechte des Bundespräsidenten von diesem in der vollen Tragweite wahr genommen worden und so gewichtige Konsequenzen verursacht oder versäumt worden.
Der Rollenverzicht des letzten Bundespräsidenten der Ersten Republik, Wilhelm Miklas
Ein wohl sehr schwerwiegender Abschnitt in der österreichischen Geschichte, die Ära des Austrofaschismus, ist mit der Rolle des damalig agierenden Bundespräsidenten Wilhelm Miklas eng verbunden. Auch wenn sicher nicht die alleinige Verantwortung bei Miklas zu suchen ist, so hat er mit seiner Reaktion bzw. dadurch, dass er die ihm verfassungsrechtlichen zu Verfügung stehenden Gesetzeskräfte als Bundespräsident nicht genutzt hat, mit verschuldet. Unter Rechtsexperten wird ein solches Verhalten als Rollenverzicht bezeichnet, und diesen hat Miklas definitiv geübt: Miklas (seit 1928 Bundespräsident Österreichs) war 1933 in einer Petition von mehr als einer Million Bürgern aufgefordert worden, die verfassungswidrige Regierung von Engelbert Dollfuß zu entlassen, hat diesen Schritt aber bis zum Zeitpunkt des Anschlusses 1938 nicht getätigt.
Dazu ein kurzer zeitgeschichtlicher Exkurs
Unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wurde im März 1933 nach einer Geschäftsordnungskrise das Parlament und damit die Demokratie ausgeschaltet, die Abgeordneten wurden mit Polizeigewalt daran gehindert eine Parlamentsitzung abzuhalten. Es wurde ein Aussetzen aller Wahlen auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebenen verordnet, die NSDAP, der Freidenkerbund und die Kommunistische Partei aufgelöst.
Es folgte Bürgerkrieg und nach der Niederschlagung des sozialdemokratischen Aufstandes durch das Militär das Verbot der Sozialdemokratischen Partei.
Die Vaterländische Front war darauf die einzige politische Partei in Österreich, sämtliche Befugnisse von Nationalrat und Bundesrat wurden der Regierung übertragen.
Am 1. Mai 1934 wurde die Republik Österreich durch den Bundesstaat Österreich abgelöst und die bisherige Verfassung durch die austrofaschistische Verfassung ersetzt. Nachdem Dollfuß bei einem Putschversuch der österreichischen Nationalsozialisten getötet worden war, trat Kurt Schuschnigg als Bundeskanzler an seine Stelle. 1936 war Schuschnigg von Adolf Hitler noch im Juliabkommen die Unabhängigkeit Österreichs zugesagt worden, doch nach und nach musste Schuschnigg den nationalsozialistischen Tendenzen mehr Freiraum und Macht zugestehen. Durch eine Volksabstimmung am 13. März 1938 wollte Schuschnigg noch die Unabhängigkeit Österreichs durchsetzen, wurde aber zuvor von Hitler zur Abdankung gezwungen. Am 12. März marschierten die Deutschen ohne jeden militärischen Widerstand ein, vielmehr wurden sie von vielen Österreichern jubelnd begrüßt.
Die Tragweite des Rollenverzichts von Bundespräsident Wilhelm Miklas
Wilhelm Miklas hätte nach der Petition der Bevölkerung die verfassungsrechtlich nicht vertretbare Regierung entlassen und durch eine verfassungsgetreue ersetzen können. Mit seinem Rollenverzicht hat Wilhelm Miklas so als Bundespräsident das Ende der Demokratie und der Ersten Republik, sowie den Durchbruch des Austrofaschismus verursacht und diesen dann im Weiteren gedeckt, bis schließlich am 12. März 1938 mit dem Anschluss an das Deutsche Reich die Herrschaft der Nationalsozialisten einsetzte.
Zwar sind nach seinem Tod private Schriften aufgetaucht, in welchen er die Politik von Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg kritisiert, doch blieben öffentliche und offizielle Äußerungen aus.
Bis zu seinem Rücktritt am 13. März 1938 hatte Miklas das Amt des Bundespräsidenten inne, ließ sich auch vom NS-Regime dazu zwingen, am 11. März Arthur Seyß-Inquart zum Bundeskanzler zu ernennen.
Ab dem Rückzug von Miklas übernahm der neue Bundeskanzler kurzer Hand auch die Funktionen als Staatsoberhaupt indem er ein Gesetz in diesem Sinne erließ.
Die Problematik, weshalb Wilhelm Miklas, obwohl er die Verfassungswidrigkeit der politischen Situation klar erfasst hatte, sich als Bundespräsident für diesen fatalen Rollenverzicht entschlossen hat und diesen auch für eine solch lange Dauer durchgehalten hat, ist in der zeitgeschichtlichen Literatur diskutiert worden. Die mögliche Erklärung, dass der Staatsmann mit seiner Passivität den politischen Entwicklungen gegenüber seine vielköpfige Familie schützen wollte, ist dennoch kaum befriedigend.
Rollenverzicht der Bundespräsidenten in der Zweiten Republik
Auch in der Zweiten Republik wurde dieses außerordentliche Recht des Bundespräsidenten, die tätige Regierung zu entlassen und durch eine ihm vertrauenswürdige und achtbare zu ersetzen, nicht genutzt.
Zu diesem Rollenverzicht der Bundespräsidenten der Zweiten Republik sollen prinzipielle Gedanken und Folgerungen angeführt werden:
Handelte ein Bundespräsident in dieser Weise, würde ihm von der Öffentlichkeit der Verdacht entgegengebracht, aus eigenem, und nicht öffentlichem Interesse, eine andere Regierung zu stützen, die dann ganz verfassungskonform durch entsprechende Vorschläge Entscheidungen des Bundespräsidenten realisierbar macht. Der Bundespräsident nimmt eine weit weniger kritisierbare Haltung ein, wenn er sich vorwiegend als überparteilicher Schlichter präsentiert und weniger direkt in das politische Geschehen eingreift und folgenreiche Handlungen setzt.
In der Ersten Republik wurde einmal der Nationalrat seines Amtes enthoben, nämlich durch Bundespräsident Wilhelm Miklas 1930 auf Vorschlag der Regierung. In der Zweiten Republik geschah dies bislang nicht, weder Bundesregierung, Landtag oder Nationalrat sind durch einen Bundespräsidenten aufgelöst worden.
Vergleichbar ist lediglich die Weigerung von Bundespräsident Theodor Körner, 1953 die ÖVP unter Leopold Figl zur Koalitionsregierung, d.h. als kleine Koalition mit der Beteiligung der VdU (Verband der Unabhängigen), zu bestellen.
Thomas Klestils Initiativen, die Rechte des Bundespräsidenten weitgehend auszuüben
Thomas Klestil (Bundespräsident von 1992 bis 2004) war 1992 als Kandidat der ÖVP aufgestellt worden, ist aber bei seiner zweiten Kandidatur 1998 auch von SPÖ und FPÖ unterstützt worden.
Als Thomas Klestil 1992 sein Amt als Bundespräsident übernahm, vertrat er die Auffassung „Macht braucht Kontrolle“, was bedeuten sollte, dass er die rechtlichen Befugnisse als Staatsoberhaupt deutlicher nutzen wolle als seine Vorgänger.
Seine Intentionen waren allerdings großteils erfolglos, da von der Bundesregierung selbst verhindert:
Der EU-Beitrittsvertrag wurde 1994 nicht, wie von ihm angestrebt, von Klestil selbst unterzeichnet, sondern in seiner Anwesenheit von Bundeskanzler Franz Vranitzky (mit 01.01.1995 war Österreich Mitglied der EU).
Auch kam ihm nicht die Rolle zu, Österreich bei den Sitzungen der Staats- und Regierungschefs zu vertreten (und selbst wenn er dieses Ziel erreicht hätte, wäre er immer noch auf den Vorschlag des Bundeskanzlers angewiesen gewesen und hätte nur auf solchen reagieren können um politische Aktionen im Rat zu beschließen.
Ein Eigentor schoss sich Klestil letztlich, als er sich bei der Ernennung des Verfassungsrichters nicht, wie sonst die Gepflogenheit der Bundespräsidenten, für den Erstgereihten im Dreiervorschlag des Nationalrats entschied, sondern für den Drittgereihten. Daraufhin wurde die Verfassung von der großen Koalition so weit abgeändert, sodass der Nationalrat seinen Vorschlag dem Bundespräsidenten nur mehr einmal vorzulegen hat, dieser den Vorschlag zwar ablehnen kann, aber nicht mehr wie zuvor, die Möglichkeit einer eigenmächtigen Wahl.
Zwei Mal (1999 und 2002) musste Klestil widerwillig eine kleine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ angeloben, da die Mehrheit im Nationalrat keine andere Regierungskonstellation befürwortet hätte.
Grund seiner Ablehnung der kleinen Koalition war die vor allem im Ausland heftig kritisierte Person Jörg Haiders. Klestil hatte 1999 Bundeskanzler Klima mit einer Regierungsbildung beauftragt, doch scheiterten die Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP.
Anfang 2000 ergriff darauf Wolfgang Schüssel die Initiative und beschloss mit der FPÖ eine Regierungskonstellation. Dies geschah ohne Auftrag des Bundespräsidenten, das Ergebnis wurde ihm lediglich mitgeteilt, ein Umstand der in der Geschichte Österreichs erstmalig war!
Für Klestil bedeutete dies wohl eine Niederlage im Kampf um die Ausschöpfung der Macht und Rechte als Bundespräsident, doch hätte er die neue Regierung (wozu er verfassungsmäßig befugt war) nicht akzeptiert, hätte er eventuell eine Staatskrise riskiert, stand doch die parlamentarische Mehrheit hinter der (von ihm nicht erwünschten) Regierung. Widerstrebend musste Bundespräsident Klestil am 4. Februar 2000 die neue Regierung als Schwarz-Blaue Koalition unter Wolfgang Schüssel angeloben.
In dieser Affäre konnte Thomas Klestil sein Durchsetzungsvermögen als Bundespräsident lediglich durch die Ablehnung von zwei FPÖ-Kandidaten für Bundesminister beweisen, gegen welche strafrechtliche Ermittlungen liefen. Nachdem die Schwarz-Blaue Koalition frühzeitig beendet war und es 2002 zu erneuten Nationalratswahlen kam, verfolgte Klestil angeblich ähnliche Ambitionen wie 1999, die ebenfalls erfolglos blieben.
Das Beispiel von Thomas Klestil zeigt, dass der Bundespräsident zwar theoretisch über durchgreifende Kompetenzen verfügt, die aber in der politischen Praxis gegen den Willen der Regierung kaum realisierbar sind. Die Versuche Klestils, die Rolle des Bundespräsidenten im Staatsgefüge zu stärken, sind mehr oder weniger fehlgeschlagen und haben vielmehr die Diskussion um die prinzipielle Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines Bundespräsidenten in Österreich entfacht.
Heinz Fischers Selbstverständnis als Bundespräsident
Der Nachfolger von Bundespräsident Klestil, Heinz Fischer (seit 2004 bis 2016 Österreichischer Bundespräsident) kann sicher aus den Erfahrungen und Resultaten seines Vorgängers wertvolle Schlüsse ziehen.
Heinz Fischer scheint seinen Einfluss auf die aktive Politik bereits im Vorfeld geltend zu machen und Entscheidungen vorab zu diskutieren. Sein Profil als handlungsfähiges Staatsoberhaupt hat Bundespräsident Fischer dennoch klar präsentiert:
Im Jänner 2008 lehnte er die Gegenzeichnung und damit Beurkundung eines Gesetzes ab, das ihm von Bundesrat und Nationalrat vorgelegt worden war. Die beabsichtigte Novelle der Gewerbeverordnung konnte nicht in Kraft treten, da der Bundespräsident deren Zustandekommen als nicht verfassungskonform erachtete. Sie beinhaltete unter anderem eine Verwaltungsstrafbestimmung, die nach ihrer Kundmachung, also rückwirkend in Kraft hätte treten sollen, was prinzipiell für Strafbestimmungen nicht zulässig ist.
Mit der Verhinderung eines von den zuständigen Organen bereits abgesegneten Gesetzes setzte Fischer als Bundespräsident eine Handlung, die in der Geschichte der Zweiten Republik erstmalig und beispiellos ist. Fischer hat somit ein maßgebliches Recht des Bundespräsidenten genutzt und damit die Bedeutung des Bundespräsidenten und seiner viel diskutierten Kompetenzen unter Beweis gestellt. Seine Vorgangsweise ist vielleicht weniger plakativ und verhaltener als die seines Vorgängers Thomas Klestils, doch von hohem Verantwortungsbewusstsein getragen, maßvoll und effektiv.
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