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Der Friedhof der Namenlosen
Der Waldfriedhof im Süden Wiens wäre nicht möglich ohne die dutzenden Ehrenamtlichen, die sich über die Zeit schon engagiert haben und das Gelände gemeinschaftlich am Laufen halten. Denn wer namenlos ist, ist auch familienlos. Für ein Begräbnis gibt es keine direkten Verantwortlichen. Gott sei Dank kümmert sich die Familie Fuchs schon seit fast hundert Jahren um die Organisation rund um den Friedhof der Namenlosen.
Spuk und Geister am Friedhof der Namenlosen
Friedhöfe sind von einer mystischen Aura umgeben und sensible Menschen haben ein gespenstisches Gefühl, wenn sie den Ruhestätten der Toten nahe sind. Mitglieder des Vereins der Vienna Ghosthunters behaupten sogar, dass sie als Geisterjäger in der Lage sind, dort die Seelen der Verstorbenen aufzuspüren.
"Der ganze Friedhof ist hoch frequentiert von Geistern“, sagt Wilhelm Gabler, Gründer des Vereins der Geisterjäger.
Konnte damals keine Gewaltanwendung oder die Identität des Toten festgestellt werden, wurde der Leichnam zur Beerdigung freigegeben, eingesargt und spätestens einen Tag darauf begraben. Einige Opfer konnten identifiziert werden und wurden auf Ersuchen der Angehörigen auf diesem Friedhof bestattet oder auf die verschiedenen Ortsfriedhöfe wie den Zentralfriedhof überführt. Je unbekannter die Geschichten der Toten sind, desto mehr wird heute um ihre Identität, Herkunft und den weiteren Weg der Seele oder des Geists spekuliert. Nicht nur Geisterjäger, sondern auch Autoren, Filmemacher und Musiker beschäftigen sich mit dem gruseligen Friedhof im Süden Wiens.
Je mehr Wasser die Donau hinunterrinnt, desto mehr Geschichten ranken sich um den Friedhof der Namenlosen. Es ist wohl die Freiheit der Kunst, Reales und Fiktionales zu mischen und Halbwahrheiten zu erzählen, die nur in den Köpfen der Zuschauer zur Wirklichkeit werden. Ob es am Friedhof der Namenlosen spukt oder nicht, bleibt schließlich Ansichtssache. Am Wiener Donaufriedhof hört der eine vielleicht einen Geist sprechen, der andere einen Vogel zwitschern.
Entstehungsgeschichte des Friedhofes: Wenn die Donau ihre Toten freigibt
Warum heißt der Friedhof der Namenlosen so wie er heißt? Am Alberner Hafen fanden Menschen ihre letzte Ruhe, die im Zeitraum von 1840 bis 1940 im Hafenbereich der Donau angeschwemmt wurden. Die Identität und Todesursache waren meist unbekannt. Alle diese Verstorbenen bekamen dort eine Grabstelle, wie es für die österreichische Gesellschaft üblich war: mit Grabstein, Gedenkaufschrift und gelegentlich auch Blumen.
Um das Jahr 1700 befand sich an der Stelle des heutigen Hafengeländes ein kleines, auf Pfählen gebautes Fischerdorf. Die Toten wurden dann von den Fischern oft mühsam aus der Donau geborgen und mit einem schlichten Holzkreuz direkt an der Fundstelle begraben. Ab 1840 konnte man bereits von einem kleinen Friedhof sprechen. Dieser wurde von der Fischer- und Jägergemeinschaft in Zusammenarbeit mit benachbarten Tischlern und Amtsärzten gemeinsam geführt. Im Wald lebende Wildtiere und Naturgewalten suchten den Friedhof immer wieder heim und verwüsteten das Gebiet. Der Friedhof wurde schließlich um etwa 60 Meter weiter weg vom Ufer verlegt, weshalb das Gebiet heute in zwei Teile gegliedert ist. Kaiser Joseph II ließ in seiner Regierungszeit einen Schutzdamm bauen. Ein paar Jahrzehnte später kam noch die Kapelle hinzu.
Auch Selbstmörder fanden am Friedhof der Namenlosen ihre letzte Ruhestätte. Vor allem in der Zwischenkriegszeit kam es vermehrt vor, dass Menschen aus Kummer und Verzweiflung den Freitod wählten. Wo diesen kein ehrwürdiger Platz auf den konfessionellen Friedhöfen gestattet wurde, fanden diese hier am Südfriedhof ihre letzte Ruhe.
Besonderheit des Friedhofs der Namenlosen
Was den Friedhof der Namenlosen von einem gewöhnlichen Friedhof unterscheidet: Den Hauptteil der Kosten übernahmen die freiwilligen Arbeiter selbst. Sie arbeiteten täglich um eine Viertelstunde länger als die reguläre Arbeitszeit, um die Kapelle langsam aber stetig fertig zu stellen. In einer Restaurierungsphase wurden die Holzkreuze am neuen Friedhofsgelände durch Gusskreuze ersetzt. Im Jahre 1932 übernahm Herr Josef Fuchs die Leitung. Nachkommen der Familie Fuchs zünden auch heute noch jeden Tag eine Kerze am Altar an. Es gilt auch den namenlosen Toten die letzte Ehre zu erweisen.
Außerdem ist der Friedhof der Namenlosen weltweit die einzige Begräbnisstätte, die ausschließlich den Opfern eines Flusses vorbehalten ist. Bis 1940 fanden Ermordete, Unfallopfer und Opfer ungeklärter Kriminalfälle hier ihre letzte Ruhe. Dabei handelte es sich meistens um unbekannte Tote, die hier auch begraben wurden.
Das Grab des Sepperl
Manche Besucher kümmern sich liebevoll um das ein oder andere Grab. Besonders beliebt ist der Sepperl, eine Kinderleiche mit schauerlichem Schicksal. Der kleine Junge wurde in einem Schuhkarton am Ufer der Donau gefunden. Sein Grabstein ist am prunkvollsten verziert.
Anfahrt und Öffnungszeiten des Friedhofs
Der Friedhof ist das ganze Jahr hindurch immer zugängig. Nach Terminvereinbarung können auch die Kapelle und die Totenkammer besichtigt werden. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man bis zur Haltestelle „Albern“, von dort sind es noch etwa 15 Minuten zu Fuß bis zur Auferstehungskapelle, dem Zentrum des neuen Friedhofsteils.
Kontakt
Josef Fuchs
+43660 6003023
[email protected]
Öffnungszeiten
Friedhof immer zugängig.
Kapelle und Totenkammer auf Terminvereinbarung (erfolgt telefonisch)
Über das Jahr hinweg gibt es mehrere Gedenkfeiern, die am Friedhof der Namenlosen Tradition haben: Jeden 1. Sonntag im Monat findet um 15:30 Uhr eine heilige Messe in der Auferstehungskapelle statt. Priester Silvio Crosina spendet seine tröstenden Worte beim Gedenken an die „Opfer der Donau“.
Jeden 1. Sonntag nach Allerheiligen gibt es eine Kranzniederlegung. Die Fischer des Fischereivereins Albern bauen alljährlich ein Floß und schmücken es mit Kränzen, zahlreichen Blumen und brennenden Kerzen. Das fertige Floß erinnert an den reich verzierten Grabstein für einen Riesen. Mit Gesängen in Deutsch, Tschechisch und Ungarisch sowie Salutschüssen wird das Floß schließlich dort, wo der Donaustrom am stärksten ist, ins Wasser gelassen.
Einmal im Jahr gibt es einen Art „Friedhofsputz“, bei dem sich freiwillige Helfer engagieren können. Im Jahr 2016 spendeten außerdem die Bundesgärten 30 Kränze für den Friedhof der Namenlosen. Die Firma Felbermayer sorgte für den Strom für Veranstaltungen. Erich Schneider, ein Hobbytischler aus Wulzeshofen fertigte ehrenamtlich ein neues Altarkreuz an. Der Friedhof der Namenlosen lebt auch in Zukunft von freiwilligen Spenden.
Das Gasthaus am Friedhof der Namenlosen
Der Hunger, den man als Friedhofsgast bekommt, wenn man länger an der frischen Luft ist, stillt man am besten im Gasthaus Binder, das nur etwa zwei Minuten mit dem PKW und etwa zwanzig Minuten zu Fuß entfernt liegt. Das "Gasthaus zum Friedhof der Namenlosen" gibt es nicht mehr.
Der Friedhof der Namenlosen in Literatur, Film und Musik
Aus den Spuk-Gerüchten rund um den Friedhof der Namenlosen sind schon die eine oder andere ausgereifte Geschichte entstanden. Der Film Before Sunrise, im deutschen Titel „Before Sunrise – Zwischenstopp in Wien“, aus dem Jahr 1995 erzählt die romantische Liebesgeschichte zwischen dem Amerikaner Jesse und der Französin Celine, gespielt von Ethan Hawke und Julie Delpy. Beide erleben eine unvergessliche Nacht in der Stadt an der Donau. Eine der „Stationen“ ihrer Liebe ist der Friedhof der Namenlosen.
Die deutsche Jugendbuchreihe und Hörspielserie TKKG hat in Folge 194 einen Friedhof der Namenlosen zum Schauplatz ihrer Detektivgeschichte. Diesmal ist es aber der Friedhof der Namenlosen auf einer Nordseeinsel, an dem geheimnisvolle Seefahrer-Grabsteine verweilen und rätselhafte Dokumente auftauchen. Wasserleichen können ja nicht nur im Donaugebiet angeschwemmt werden, sondern das kann grundsätzlich bei jedem Gewässer passieren. In der Zeit der beiden Weltkriege war die Donau, die durch insgesamt zehn europäische Länder fließt, besonders belastet mit Toten und den Geschichten um ihre Herkunft, ihr Leben, ihre Todesursache und das Geheimnis um ihr Leben nach dem Tod.
Es ist schwer, die Namenlosen und ihre Schauergeschichten zu vergessen. Paradoxerweise ist genau dies die Absicht eines Grabsteins oder einer weiter erzählten Geschichte: Dafür zu sorgen, dass die Verstorbenen nie vergessen werden. Die österreichische Band „L’Âme Immortelle“ verwandelt den morbiden Charme des Wiener Südfriedhofs in ein Lied. Die „Drahdiwaberl“ drehten bei den Namenlosen sogar ein Musikvideo und durchmischten die dicke Friedhofsluft mit etwas schwarzem Humor.
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Christine Mikovits
10. März 2024 - 08:41 Uhr
Ich war gestern auf diesem Friedhof. Habe deshalb heute nach diesen Informationen gesucht. Mit den neuen Informationen werde ich wieder hinfahren. Vielen herzlichen Dank an die vielen Freiwilligen und Spender die diese schöne ErinnerungStätte ermöglichen. Christine
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Peter Grasmück
07. März 2024 - 16:51 Uhr
Ich habe im Jahre 2015 bei einer Fahrt auf dem Donauradweg den Friedhof besucht. Ich was sehr ergriffen und hoffe und wünsche, dass diese Stätte noch lange erhalten bleibt. Leider kann ich ihn aus Altersgründen nicht mehr besuchen. Das tut mir furchtbar leid.Mögen die dort begrabenen Toten in Frieden ruhen.
Alexander
12. September 2019 - 18:14 Uhr
Bald ist das Team von PSI Vienna dort. Dann werden wir wissen ob dort Geister wohnen .