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Neues Unternehmensstrafrecht
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
Während nach bisheriger Rechtslage nur gegen natürliche Personen ein gerichtliches Strafverfahren geführt werden konnte, regelt das neu geschaffene Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) die Verantwortlichkeit von Verbänden für gerichtliche Straftaten.
Das Gesetz trat - in Umsetzung von EU- und internationaler Rechtsakte - mit 1.1.2006 in Kraft und ist auf Straftaten anzuwenden, die nach dem In-Kraft-Treten begangen wurden bzw. werden.
Ziel dieses Gesetzes und der EU- sowie internationaler Vorgaben ist es, die „eigentlichen Täter“, nämlich die hinter den Ausführenden der Tat stehenden Unternehmen, zur Verantwortung zu ziehen bzw. durch Verankerung wirksamer, abschreckender und angemessener Sanktionen jene Taten zu verhindern.
Wer haftet und wofür wird gehaftet?
„Verbände“ im Sinne des VbVG sind grundsätzlich
- juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts (darunter fallen insbesondere die GmbH und AG, Privatstiftungen, Vereine, Genossenschaften, Sparkassen, Gebiets- und Selbstverwaltungskörperschaften, Anstalten des öffentlichen Rechts usw.)
- Personengesellschaften (OHG, OEG, KG, KEG) und die
- Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).
Da Verbände nicht selbst handeln können, werden diese belangt, wenn ein Entscheidungsträger oder ein Mitarbeiter eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat und diese dem Verband zugerechnet werden kann. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist eine nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung; auf Finanzvergehen ist dieses Bundesgesetz jedoch nur insoweit anzuwenden, als dies im Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958, vorgesehen ist.
Zurechnung zum Verband
Ein Verband kann nur für Straftaten einer natürlichen Person (Entscheidungsträger oder Mitarbeiter) belangt werden, die dem Verband nach dem VbVG zugerechnet werden können.
Grundvoraussetzung für eine Zurechnung ist, dass
- die Straftat zu Gunsten des Verbandes begangen wurde oder
- durch die Straftat Pflichten verletzt wurden, die den Verband treffen (Verbandspflichten).
„Zu Gunsten“ des Verbandes bedeutet, dass der Verband bereichert wurde (oder werden sollte) oder dass sich der Verband einen Aufwand erspart hat (oder dem Verband ein Aufwand erspart werden sollte). Straftaten zum Nachteil des Verbandes (z.B. Güterdiebstahl durch Mitarbeiter) fallen daher nicht unter das VbVG. Als Delikte kommen vor allem Vermögensdelikte wie z.B. Bestechung, Betrug in Betracht.
Andere, als Vermögensdelikte, werden durch die zweite Fallgruppe (Verbandspflichten eines Unternehmens) aufgefangen: Diese Verbandspflichten können sich aus der gesamten österreichischen Rechtsordnung ergeben, nämlich aus Gesetzen, Verordnungen, zB aus verwaltungsrechtlichen Vorschriften, die auf die jeweilige Unternehmenstätigkeit anwendbar sind (z.B. GewO, Arbeitsschutzbestimmungen, etc.). Pflichten sind aber auch aus Bescheiden samt Auflagen (z.B. Betriebsanlagengenehmigung) und Verträgen mit Kunden ableitbar.
Bei der Zurechnung wird unterschieden, ob ein „Entscheidungsträger“ oder ein „Mitarbeiter“ die Straftat begangen hat.
Entscheidungsträger sind:
- Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Prokuristen, oder Personen mit vergleichbarer Vertretungsmacht für den Verband.
- Aufsichtsrat- oder Verwaltungsratmitglieder oder Personen, die sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausüben.
- Personen mit maßgeblichem Einfluss auf die Geschäftsführung.
Der Entscheidungsträger muss die Tat rechtswidrig und schuldhaft für den Verband begehen.
Mitarbeiter sind Personen:
- im Arbeits-, Lehr- oder anderem Ausbildungsverhältnis
- Heimarbeiter (Heimarbeitsgesetz)
- im arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (zB freier Dienstnehmer)
- Überlassene Arbeitskräfte (Arbeitskräfteüberlassungsgesetz)
Eine zurechenbare Straftat liegt vor, wenn ein Mitarbeiter rechtswidrig gehandelt hat. Ein Verschulden des Mitarbeiters ist nicht erforderlich. Rechtfertigungsgründe dürfen keine vorliegen.
Die Tat muss zusätzlich durch die Sorgfaltswidrigkeit von Entscheidungsträgern ermöglicht oder wesentlich erleichtert worden sein, insbesondere wenn diese die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zur Verhinderung der Tat außer Acht gelassen haben - dann ist ein „Organisationsverschulden“ zu bejahen.
Dadurch soll der arbeitsteiligen Organisation von Verbänden (bzw. der diesen zugeordneten Unternehmen) Rechnung getragen werden.
Sanktionen
Das VbVG sieht folgende Sanktionen vor:
- Geldbußen (berechnet nach Tagessätzen = TS)
- Weisungen, insbesondere Auftrag zur Schadenswiedergutmachung
- Diversion
Die angedrohten Geldbußen bemessen sich am Jahresertrag des Unternehmens und sind nach der Schwere der Delikte gestaffelt. Für die Strafbemessung sind Milderungs- und Erschwerungsgründe vorgesehen.
Geldbußen können unter Bestimmung einer Probezeit von einem bis zu drei Jahren – gegebenenfalls unter Erteilung von Weisungen – bedingt nachgesehen werden. Als Weisung kommt insbesondere der Auftrag zur Wiedergutmachung des entstandenen Schadens in Betracht.
Die verhängten Geldbußen sind steuerlich nicht absetzbar. Ein Rückgriff auf Entscheidungsträger und Mitarbeiter ist ausgeschlossen.
Die maximale Geldbuße beträgt EUR 1,8 Mio.
Ein Verfahren nach dem VbVG kann aber auch ohne Verhandlung und Verurteilung durch eine diversionelle Maßnahme beendet werden. Der Vorteil der Diversion liegt darin, dass es zu keiner Verurteilung kommt, da der Staatsanwalt von der Verfolgung zurücktritt! Das setzt aber u. a. voraus, dass der entstandene Schaden wieder gut gemacht wurde und keine general- oder spezialpräventiven Gründe gegen den Rücktritt von der Verfolgung sprechen. Mit der Diversion sind folgende Sanktionen verbunden:
- Geldbetrag (keine Strafe!) oder
- Verhängung einer bis zu dreijährigen Probezeit oder
- Erbringung bestimmter unentgeltlicher gemeinnütziger Leistungen innerhalb einer Frist von bis zu 6 Monaten.
Risikomanagement
Um einer Strafe und den damit einhergehenden Folgen (Geldbußen, Verfahrenskosten, negative Publicity) entgehen zu können, sind Unternehmen gezwungen Präventivmaßnahmen und ein Risikomanagement festzulegen bzw. einzuführen. Welche Vorkehrungen im Einzelnen geboten sind, kann abstrakt nicht beantwortet werden; dies wird im Einzelfall je nach Größe und Struktur des Verbandes, den von dessen Tätigkeiten ausgehenden Gefahren, dem Ausbildungsstand und der Verlässlichkeit der Mitarbeiter usw. festzustellen sein. Unternehmen müssen in einem allfälligen Strafverfahren nachweisen können, dass sie zur Verhinderung der Tat ausreichende technische, personelle und organisatorische Maßnahmen getroffen haben. Die Einführung eines Internen Legal Risk Management ist daher dringend anzuraten.
MMag. Gernot Eberhardt
Clusiusgasse 5/9
1090 Wien
0664/111 57 44
gernot.eberhardt(at)chello.at
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