Der Wiener Eruv - Unauffällig und doch ein allgegenwärtiges Mysterium

© Elisabeth Rauter | Ein Beispiel für einen Lechi – eine Möglichkeit der Begrenzung des Eruv – am Wiener Gürtel. Können Sie ihn sehen?

Quasi unsichtbar und vielfach unbemerkt zieht sich eine durchgängige Stadtmauer durch die Hauptstadt Österreichs, die für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe essenziell ist: der Eruv. Diese Barriere zwischen ‚privatem Wohngebiet‘ und Öffentlichkeit ermöglicht es den Anhängern des orthodoxen Judentums trotz den strengen Gesetzen der Tora ihrem gewohnten Leben nachzugehen. 

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Diese Grenze ist vor allem am Sabbat – dem Tag der Arbeitsruhe - von großer Bedeutung, an dem es den Gläubigen ansonsten untersagt wäre Gegenstände zu bewegen oder zu tragen. Dies schließt auch Tätigkeiten wie das Schieben eines Kinderwagens oder das Benutzen von Gehhilfen mit ein. Der Sabbat erstreckt sich über einen Zeitraum von Freitagabend bis Samstagabend, da die Tage im jüdischen Kalender traditionellerweise abends beginnen und enden. 

Funktion und Zusammensetzung

Das über 2000 Jahre alte Prinzip hinter der Errichtung eines Eruv ist es einen Raum zu schaffen, der durch die gemeinsame Nutzung gekennzeichnet ist und alle Bewohner innerhalb der virtuellen Grenze als Bewohner eines Hauses deklariert. Ursprünglich wurde die Stadtmauer als Begrenzung herangezogen, heute können auch Konstruktionen wie die Stadtbahnbögen oder Bahnstrecken, sowie natürliche Begrenzungen wie das Flussbett der Donau verwendet werden.

Beispielsweise die Wiener Stadtbahnbögen werden durch sogenannte ‚Lechi‘ gekennzeichnet, die die tatsächliche Grenze anzeigen. Bei einem Lechi handelt es sich um eine Stütze des Eruvdrahtes, im Falle Wiens meist bestehend aus Metallkästen oder –platten, die Türpfosten symbolisieren wollen. Wie und wo ein Eruv erbaut werden darf regelt die Halacha; ein komplexes System aus Gesetzlichkeiten – Geboten wie Verboten - den jüdischen Glauben betreffend. Nicht in das Gebiet miteinbezogen werden können Seen oder Friedhöfe. Um diese muss ein wiederum eigener Eruv errichtet werden

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Lücken schließen

Der Eruv in Wien ist circa 25 Kilometer lang. Zusätzlich zu den bereits bestehenden - natürlichen wie menschengeschaffenen - Eckpfeilern, kann in mehreren Metern Höhe ein Draht gespannt werden, um die Vollständigkeit zu gewährleisten. Dieser Draht ist in regelmäßigen Abständen an Masten befestigt, welche bereits bestehende Lichtmasten sein können oder auch eigens dafür errichtet wurden. Aus den so entstehenden zwei Seitenpfeilern, in Verbindung mit dem Querbalken, ergeben sich symbolische Stadttore. Finanziert wurde das Projekt – sowohl in der Phase des Baues als auch in der Erhaltung - rein durch Spendengelder.

Der ursprüngliche Eruv

Eigentlich bezeichnet der Terminus Eruv ein Lebensmittel, welches von allen Mitgliedern eines Haushalts geteilt wird. Dabei handelt es sich meist um Brot. Mit dem Teilen gilt man als Bewohner eines Haushalts und ist somit vom Verbot des Tragens ausgenommen, was vor allem jungen Familien das Leben massiv erleichtert. Das Verbot gilt nämlich auch für das eigene Kind, was vor allem streng gläubige Frauen in der Zeit bevor der Nachwuchs das Laufen erlernt an die Wohnungen bindet.

Die Halacha, welche das gesetzliche System des jüdischen Glaubens umfasst, teilt die Welt in drei Bereiche – den privaten, den öffentlichen und den sogenannten ‚Karmelit‘, der weder dem Privatem noch dem Öffentlichen zugeordnet wird. In den Gesetzen wird formuliert, welche Tätigkeiten dem ‚Tragen‘ zugeordnet werden, nämlich jene, die den Transfer eines Gegenstandes von einem Bereich in einen anderen zur Folge haben. Miteingeschlossen ist es, etwas von einem privaten Bereich in einen anderen zu bringen. Innerhalb eines Bereiches gäbe es hingegen kein Problem.

Die meisten Eruvim finden sich in Israel, außerhalb der Staatsgrenzen werden mehr als 150 gezählt - von London über New York bis Antwerpen, Rio de Janeiro oder Straßburg.

Der Eruv in Wien

Ob der erste Wiener Eruv seit 1938 koscher, somit intakt und vollständig ist und wo die Grenze genau verläuft kann man bequem über eine Hotline oder auf der offiziellen Website des Wiener Eruvs herausfinden. Um gewährleisten zu können, dass der Eruv am Sabbat koscher ist, wird dieser jeden Freitag vollständig kontrolliert und gegebenenfalls ausgebessert.

Wenn Ihr Interesse für die jüdische Kultur und ihre Lebensweise nun geweckt ist, besuchen Sie doch einmal das jüdische Museum am Judenplatz, oder den Karmelitermarkt im 2. Bezirk.

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