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Neusiedl am See: Interview mit Bgm. Kurt Lentsch

Der Neusidler See im Winter mit einer Möwe drauf
© Lutz Fischer-Lamprecht/ wikipedia.de | Neusiedler See - Blick von Neusiedl nach Süden

Neusiedl am See hat eine hohe Lebensqualität, meint der Neusiedler Bürgermeister Kurt Lentsch im Interview.

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Stadt-wien.at spricht mit Bürgermeister Lentsch

Herr Lentsch, was macht aus Ihrer Sicht die Stadt Neusiedl so besonders?

In der Stadt gibt es einen markanten Punkt: Den See. Die Stadt Neusiedl am See ist Namensgeber des Neusiedlersees. Dieser ist Weltkulturerbe, Biosphärenreservat, Natura-2000-Gebiet. Er ist also eine besonders geschützte und ausgezeichnete Region - ausgezeichnet von der Europäischen Union, von der UNESCO und vielen anderen Organisationen. Vom See haben wir den Namen und vom See leben wir. Die Landschaft und die Natur ist maßgeblich dafür, wie die Menschen hier leben. Wir sind Weinbaugebiet, es ist ein flaches Land und daher ideales Radlergebiet, und es gibt bei uns Obst und Gemüse. Im vorigen Jahrhundert waren die Neusiedler die ersten, die mit dem Neusiedler Salat Gemüse zum Wiener Grünmarkt gebracht haben. In der Zwischenzeit gibt es zwar die Salatgärten nicht mehr, dafür kommt jetzt der Neusiedler Wein nach Wien. Dieser steht im nationalen und internationalen Wettbewerb gut da.

Zu Ihrer Person: Was waren für Sie persönlich in Ihrer Laufbahn die wichtigsten Stationen und seit wann sind Sie Bürgermeister von Neusiedl?

Ich bin 1959 geboren und nach Matura und Bundesheer zur Finanzverwaltung gekommen. Nach dreieinhalb Jahren wollte ich mich verändern und bin in eine Steuerberatungskanzlei gewechselt. Ein paar Jahre später habe ich dann meine Steuerberaterprüfung gemacht, sicher einer der markantesten Punkte in meinem Leben. Als ich von der Finanzverwaltung weggegangen bin, wurde ich gefragt, ob ich mich nicht im Gemeinderat engagieren möchte. Das habe ich dann auch getan, wusste zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, dass ich damit eine politische Karriere vor mir habe, die zum Finanzstadtrat und letztendlich zum Bürgermeisteramt führen würde.

Im Jänner 1997 wurde ich vom Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt, nachdem mein Vorgänger in Pension gegangen ist. Im darauf folgenden Oktober bin ich dann bei der direkten Bürgermeisterwahl mit ungefähr 60 Prozent der Stimmen bestätigt worden.

Was konnten Sie als Bürgermeister in Neusiedl in den letzten zehn Jahren Positives erreichen?

Wir haben ein im Burgenland einzigartiges Straßenbauprogramm umgesetzt. Derzeit wird gerade ein Beleuchtungskonzept verwirklicht, dieses wird in den nächsten zwei Monaten fertig. Hier wird die gesamte Stadt mit neuem öffentlichen Licht versorgt, das Konzept ist ökologisch, energiesparend und passt in das Screenlight-Programm der Europäischen Union. Wir haben unser Hallenbad und unser Seebad erneuert. Wir haben unsere Häfen und unseren Strand ausgebaut. Wir haben viel in die Schulen investiert. Ich denke, dass wir – und darauf bin ich auch ein bisschen stolz – die „Minds“ der Menschen in den letzten zehn Jahren geändert haben.

Die Neusiedler sind stolz, dass sie Neusiedler sind. Sie lieben ihren See, den sie vorher nicht so bewusst wahrgenommen haben. Sie kommen drauf, dass wir in einer sehr grünen Landschaft wohnen. Ich habe die Errichtung eines Fernheizwerks initiiert, an dem 900 Haushalte angeschlossen sind. In diesem Fernheizwerk verheizen wir Hackschnitzel und hoffentlich in Zukunft auch Schilf, was für den See wiederum gut wäre. Es ist mir gelungen, gemeinsam mit der Caritas ein Altenwohn- und -pflegeheim zu errichten, das vorher 20 Jahre diskutiert wurde. Es ist mir außerdem gelungen, den österreichischen Segelverband nach Neusiedl am See zu holen, den alle Seegemeinden in Österreich gerne zu sich geholt hätten.

Als Bürgermeister stehen Sie einem großen Team vor. Welche Faktoren soll man als Teamführer besonders beachten, um mit einem Team Erfolge erreichen zu können? Welches Rezept haben Sie diesbezüglich?

Warum ist Kurt Lentsch so, wie er ist? Weil er ganz einfach ein kommunikativer Mensch ist, weil er nicht gern streitet, aber doch diskutiert. Weil er von Standpunkten, von denen er überzeugt ist, auch nicht leicht abweicht, auch gegen den Mainstream, auch gegen Parteilinie. Wenn man das immer offenen Herzens tut und ehrlich ist, dann tut man sich relativ leicht. In der Kommunikation ist es so, dass ich ein relativ gutmütiger Chef bin, was meine mir direkt Untergeordneten manchmal bekritteln. Sie meinen, ich sollte viel direkter und strenger sein, aber ich glaube, es geht genau darum, das Mittelmaß zu finden: Dass die Menschen zwar wissen, was sie tun müssen, die mir unterstellt sind, aber doch ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit haben.

Wenn man immer versucht, auf die Mitarbeiter als Menschen zu schauen, dann funktioniert es. Meine Steuerberatungskanzlei zum Beispiel war das erste Unternehmen, das im Burgenland als familienfreundlich zertifiziert wurde. Es gibt da ein besonderes Audit vom Sozialministerium, einen Prozess, der drei Jahre dauert. Hier muss man sich als Unternehmen nachgewiesenermaßen besonders um die Mitarbeiter kümmern, indem man ihre Wünsche – Freizeit, Ausbildung, Persönlichkeitsbildung – beachtet. Das habe ich zum Beispiel in meiner Kanzlei gemacht, und das funktioniert ganz gut.

Was erwartet Menschen, die beabsichtigen, sich wirtschaftlich wie privat in Neusiedl anzusiedeln? Was können Sie diesen Menschen bieten?

Ganz einfach höchste Lebensqualität. Wir liegen ungefähr eine halbe Stunde vom Wiener Stadtzentrum weg, und in ein paar Monaten sind wir hoffentlich auch einfachst von Bratislava aus erreichbar. Wir haben mindestens im Stundentakt Schnellbahnverkehr nach Wien. Wir haben eine Autobahn, und es gibt zwei Flughäfen in 25 Minuten Entfernung. Es ist also sehr angenehm, bei uns zu wohnen. Das tun auch viele internationale Manager, die zum Beispiel in Wien, in Bratislava, in Ungarn, usw. arbeiten. Wir haben ein tolles Angebot an Schulen, wir haben eine sehr gute medizinische Versorgung und wir haben grüne Wohngegend.

Thema Europameisterschaft 2008: Neusiedl liegt sehr nahe an dieser Großveranstaltung. Wie weit plant die Stadt, sich hier mit einzubringen?

Es hat mehrere Gespräche mit Werbeagenturen gegeben, die dieses Thema stark promoten, die damit Geld verdienen wollen, aber natürlich auch den Gemeinden etwas bieten wollen mit Public Viewing etc. Nachdem es bis vor kurzem unklar war, wer überhaupt Werberechte für die EM hat, haben wir bis jetzt nichts entschieden. Es gibt in 14 Tagen ein Gespräch mit unserer Kammer im Burgenland, wo die Unternehmen darüber informiert werden, welche Form von Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit der EURO gemacht werden kann, wie das mit der Werbung und den Übertragungsrechten ist. Wir überlegen uns, im Bereich vom Hauptplatz oder auf einem Seitenplatz etwas zu machen. Es gibt den Zentralparkplatz, wo man etwas machen könnte, ohne jemanden zu stören.

Das Problem ist ja nicht nur das Match selber, sondern es muss ja auch eine Infrastruktur errichtet werden, die dann genutzt werden soll. So etwas muss genau koordiniert werden, damit man nicht letztendlich mehr Vergrämte in der Stadt hat als Leute, denen das Spaß macht. Wir haben auch immer gehofft, dass wir eine Mannschaft nach Neusiedl bringen können. Das wird aber sehr schwierig, weil wir nur ein einziges Hotel haben, das diese Kapazität hätte, und dieses hat schon langjährige, permanente Verträge mit Seminaren. Außerdem wäre eine Bedingung, dass das Hotel ausschließlich für die Mannschaft zur Verfügung steht und das ist bei uns undenkbar.

Welche Ziele wollen Sie als Bürgermeister in der unmittelbaren Zukunft angehen?

Wir haben uns vorgenommen, dass wir unser Gewerbegebiet erweitern. Wir wollen eine zweite Autobahnanbindung haben, hier ist gerade die Umweltverträglichkeitsprüfung im Laufen. Das würde bedeuten, dass Neusiedl wirtschaftlich wächst, aber natürlich auch, dass wir Arbeitsplätze in der Stadt schaffen. Wir haben schon jetzt eine sehr gute Arbeitsplatzsituation, und in Neusiedl herrscht faktisch Nullarbeitslosigkeit. Das liegt an Neusiedl, aber auch an der Nachbargemeinde Parndorf. Das liegt außerdem an der guten Anbindung.
Das zweite Ziel: Ich träume davon, dass wir irgendwann einmal eine universitäre Einrichtung nach Neusiedl bekommen – eine Fachhochschule oder eine Dependance einer Universität. Das ist vielleicht in der alten Kaserne möglich, wo wir gerade über Umwidmungen bzw. Umbaumaßnahmen diskutieren, und da gibt es auch gute Gespräche mit der BOKU, mit der Technischen Universität und mit anderen.

Abschließende Frage: Was kann die neue Neusiedlersee-Card?

Die Neusiedlersee-Card ist die größte Gratiskarte für den Konsumenten in Österreich. Sie wird über eine Gesellschaft verwaltet, bei der die Tourismusverbände und –vereine der gesamten Region dabei sind. Sie bietet an, dass der Beherberger, der Mitglied bei diesem Projekt ist, für den Gast jeweils einen gewissen Fixpreis in einen gemeinsamen Topf einzahlt. Über diesen Topf werden dann die Eintritte von den Seebädern, von unserem Hallenbad, von Kultureinrichtungen, vom Verkehrsverbund Ostregion, von den Museen, vom Nationalpark usw. jeweils abgerechnet. Die Neusiedlersee-Card ist also ein Pool, wo der Konsument bzw. der Tourist sehr viele Dinge gratis nutzen kann, und sie wird auch gut angenommen. Die Verrechnung wird dann über eine gemeinsame Firma gemacht. Die Leute fragen auch wirklich ständig nach, wer die Neusiedlersee-Card hat. Es gibt zwar auch einige Unternehmen, die sie nicht nehmen, vor allem Betriebe, die in erster Linie Seminargäste haben. Für alle anderen Betriebe ist das aber sehr interessant und wird auch entsprechend genutzt.

Und wie kommt der Konsument zu dieser Card?

Er sieht bei der Zimmerreservierung, ob der gewählte Betrieb ein Mitglied bei der Neusiedlersee-Card ist. Mit dem Meldezettel, den er in die Hand gedrückt bekommt, kann er an rund 50 Ausgabestellen im Bezirk diese Card abholen, und damit zum Beispiel in Neusiedl das Seebad kostenlos besuchen.

Danke für das Interview.

Interview: Ralf Ehrgott

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