Im Gespräch
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Interview mit H. Androsch zum Bildungsvolksbegehren
Stadt-wien.at wird diesem Volksbegehren daher eine Plattform bieten, informieren und Zeichen setzen.
Österreich darf nicht sitzenbleiben
Hannes Androsch, Initiator des Bildungsvolksbegehrens im Interview mit stadt-wien.at, Das Gespräch führte Theresia Zierler.
Warum startet ein ehemaliger Finanzminister, Vizekanzler und heute Industrieller ein Bildungsvolksbegehren für Österreich?
Mit früheren politischen Ämtern oder Funktionen hat mein Engagement wenig bis gar nichts zu tun. Vielmehr mit meinem Verständnis als aktiver Staatsbürger, der ein Interesse an öffentlichen Angelegenheiten hat. Bildung wird immer wichtiger und entscheidet über unser aller Zukunft. Bildung erstreckt sich daher in weitem Bogen, vom Kindergarten und dem Vorschuljahr, über Pflichtschulen und Mittelschulen bis hin zu den Universitäten und in weiterer Folge der Erwachsenenbildung.
Trotzdem ist Ihre Vergangenheit schon von Bedeutung, Sie sind in Österreich nach wie vor eine politische Stimme und haben einen hohen Bekanntheitsgrad, was eine Initiierung des Volksbehrens erst ermöglicht.
Meine Biografie ist diesbezüglich sicherlich hilfreich. Es geht aber dabei nicht um mich, sondern um die künftigen Generationen. Ob wir die Zukunft gewinnen oder verlieren, wird immer mehr zur Bildungsfrage. Daher geht das Volksbegehren Bildungsinitiative jede und jeden an. Es geht um Österreich. Österreich darf nicht sitzenbleiben.
Zurzeit tagt eine Expertengruppe, die Ergebnisse sind für den 2.Februar 2011 angekündigt. Können Sie uns schon Eckpfeiler zu den Inhalten nennen?
Es geht um Inhalte, welche Erfordernisse eine zukunftsgemäße Bildung erfüllen muss, nicht aber um einen detaillierten Gesetzesentwurf. In der Folge werden aber zahlreiche Gesetzesmaßnahmen getroffen werden müssen. Der Gesetzesapparat zur Bildung ist ja höchst umfangreich. Ein wichtiger Punkt ist natürlich auch die Frage der Finanzierung der dringend notwendigen Bildungsmaßnahmen. Unser immer schlechter werdendes Abschneiden bei den Pisa-Studien, die zunehmenden Klagen aus der Wirtschaft, zu wenig ausbildungsfähige Lehrlinge zu bekommen, aber auch die Klage der Universitäten über das sinkende Niveau der Maturanten verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf in der Bildungsfrage.
Das Bildungsvolksbegehren muss daher darauf ausgerichtet sein, auf allen Ebenen Angebote für ein besseres Bildungsangebot einzufordern. Nur einige grundlegende Beispiele:
Die Situation der berufstätigen Mütter verlangt ein breites Angebot an Ganztagsschulen, auch im Vorschulalter gilt es ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Es geht auch um die Regelungen des Übergangs von der Vorschule in die Volksschule und dann in die weiterführenden Schulen. Es ist ein Unding, dass die Weichen für die weitere Schulbildung samt den damit verbundenen Schwerpunkten im Kindesalter von 10 Jahren getroffen werden müssen. Unser Bildungssystem muss vielmehr darauf ausgerichtet sein, dass jeder Einzelne jenen Bildungsweg beschreiten kann, der mit den besten persönlichen Zukunftschancen verbunden ist. Davon profitieren letztlich auch Wirtschaft und Gesellschaft.
Ganztagesschule ein Fixpunkt, wie schaut es mit den Diskussionspunkten Gesamtschule, Mittlere Reife, Studiengebühren aus? Ihre Meinung dazu?
Wir werden uns in den scheinideologischen Streit und in die parteipolitischen Auseinandersetzungen nicht einmischen. Das müssen sich die Verantwortlichen in der Politik selbst ausmachen.
Wir benötigen in Sachen Bildung einen Umkehrschub. Viele Eltern haben die Erziehung in die Schule verlagert, die Schule verlagert vielfach den Unterricht ins Elternhaus. Dies zeigt der große Bedarf an Nachhilfeunterricht. Für Migrantenkinder braucht es einen vorbereitenden schulischen Deutschunterricht. Generell braucht es mehr Fremdsprachenunterreicht, wobei Englisch keine Fremdsprache, sondern eine notwendige Zweitsprache ist.
Das sind alles Beispiele, die belegen, dass wir unser Bildungssystem endlich tauglich für das 21. Jahrhundert machen müssen. Andere haben das schon getan, wie zum Beispiel Skandinavien, Deutschland, die Schweiz und eine Reihe asiatischer Länder. Die dortigen Entwicklungen sollen wir uns zum Vorbild nehmen und auf unsere Verhältnisse adaptieren.
Auch bei der Bildung muss das Rad nicht neu erfunden werden. Ein besseres und zukunftsweisendes Bildungssystem wird nicht mit einem Donnerschlag zu erreichen sein. Dieser Prozess muss aber endlich in Gang gebracht werden und dieser dauert, wie am finnischen Beispiel erkennbar, 10 – 15 Jahre.
In einem Interview sagten Sie, Lehrer sind für Sie besonders wichtig. Für Lehrer gibt es keine Evaluierung, es gibt keine Kontrollinstanz für Lehrer. Einmal Lehrer immer Lehrer. Ist hier auch etwas angedacht?
Es stimmt nicht zusammen, dass wir zwar weltweit eines der teuersten Bildungssysteme und trotzdem so schlechte Ergebnisse haben.
Laut WKÖ Präsident Leitl kommt von zwei Euro, die in unser Bildungssystem fließen, nur ein Euro auf den Unterricht. Unser Bildungssystem gehört kompetenzmäßig in eine Hand, den Bund, zugleich muss den Schuldirektionen beim Personalmanagement und den Lehrern im Unterricht mehr Autonomie gewährt werden.
Parteipolitische und gewerkschaftliche Proporzeinflussnahme gehören weg, diese haben nicht unwesentlich Schuld am derzeitigen Schlamassel.
Bleiben wir gleich bei der Parteipolitik. Ihr Volksbegehren soll natürlich so viel Unterstützer als möglich haben. Die Oppositionsparteien haben Interesse bekundet. Können Sie sich vorstellen Ihr Volksbegehren auch von der FPÖ unterstützen zu lassen?
Es ist ein überparteiliches Volksbegehren, das heißt, wir grenzen niemanden aus und wir schließen niemanden aus. Wir sind für jede Unterstützung dankbar.
Parteipolitik aber hat in dieser Initiative keinen Platz. Ziel ist, der Bildung in Österreich einen zeitgemäßen Anschub zu geben, endlich im 21. Jahrhundert anzukommen und Generationenverantwortung zu tragen.
Von der Opposition zu den Regierungsparteien.
Josef Pröll, ÖVP meinte grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, in Ihren eigenen Reihen gibt man sich aber ziemlich bedeckt?
Das kann man so nicht sagen, vor Weihnachten hat Wiens Bürgermeister Häupl seine Unterstützung zugesagt und auch die beiden zuständigen Ministerinnen, allen voran Claudia Schmied. Wir machen diese Initiative nicht für uns, sondern für Zukunft der jungen Menschen in diesem Land. Direkt und indirekt geht diese Initiative daher jeden etwas an. Je mehr bereit sind, das Volksbegehren zu unterschreiben, desto stärker wird der Anschub zur Veränderung sein.
100.000 Unterschriften sind für eine Behandlung im Parlament notwendig. Wie ist das Prozedere, wann ist der Start?
Zur Beantragung des Volksbegehrens werden 8.032 Unterschriften benötigt. Diese Zahl wird wohl kein Problem darstellen. Nachdem diesem Antrag durch das Innenministerium stattgegeben wurde, kann das Volksbegehren Bildungsinitiative umgesetzt werden. Der genaue Zeitpunkt muss erst festgelegt werden.
Wunsch und Ziel ist eine möglichst breite Unterstützung und möglichst viele Menschen zu motivieren, das Volksbegehren im eigenen Interesse, vor allem aber im Interesse der Kinder, Enkel und Urenkel zu unterstützen.
Ein Volksbegehren kostet. Wie ist der finanzielle Background?
Seitens der Wirtschaft wird immer wieder darauf hingewiesen, dass dringender Handlungsbedarf zur Anhebungen des Bildungsniveaus unseres Landes besteht. Sonst verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschaftsstandort. Ich gehe davon aus, dass den Worten auch Taten folgen werden. Wir werden die Kosten des Bildungsvolksbegehrens so gering wie möglich halten und mit den zur Verfügung gestellten Geldern äußerst sparsam umgehen. Die Medien unterstützen uns dankenswerter Weise schon von Anfang an.
Ab wie viel Unterschriften ist es für Sie ein erfolgreiches Volksbegehren. Wann ist ein Signal gesetzt?
Je mehr Unterschriften es gibt, desto größer wird der Anschub für eine rasche Umsetzung der Forderungen des Volksbegehrens Bildungsinitiative sein.
stadt-wien.at wird laufend über das Volksbegehren berichten und ersucht alle Leser, an diesem Bildungsvolksbegehren mit Interesse zahlreich teil zu nehmen.
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Vater
03. Februar 2011 - 21:46 Uhr
Ein Bildungsvolksbegehren ist super, da gibt es aber ein großes ABER. Werden die Parteien sich einigen können? Wird eine echte Reform gemacht oder nur lauter Seifenblasen. Das andere Problem sehe ich bei den Lehrern. Die sind doch schon jetzt überfordert. Wenn die sich auf jeden einzelnen Schüler konzentrieren sollen, benötigen die Lehrer 6 Monate Ferien. Der nächste Punkt ist jener, die Kids haben heute keinen Respekt mehr vor den Lehrkräften, die sagen doch ganz klar, der kann mich am A.... ich lerne wann ich möchte. so schauts aus. Weiters wird immer davon gesprochen, die Ausländer und Migranten sollen deutsch lernen, na da kann ich nur lachen. Weiters ist die Technik und Computer mit daran schuld, dass die Kids nicht deutsch können, wie sollen sie das lernen, wenn es die automatische Rechtschreibung gibt. Weg mit der Technik und alles bei Kopf und handgemacht, so wird gelernt