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Vernetzes Kinderspielzeug - Spionagewerkzeug im Spitzenkleid
Die Risiken von smartem Kinderspielzeug
Unsere Telefone, unsere Häuser und nun sogar schon unserer Spielzeug: Das Leben ist in den letzten Jahren an allen Ecken und Enden immer "smarter" geworden. Bei all den Vorteilen, die das digitale Zeitalter im Hinblick auf Alltagsabläufe bietet, sollten jedoch die Risiken nicht außer Acht bleiben. Vernetzte Spielwaren sind – wie eigentlich alle Endpunkte, die in Verbindung mit dem Internet stehen – hackbar! Ein eindrucksvolles Beispiel dafür wurde bereits vor etwa zwei Jahren geliefert, als es ein Experte für Online-Sicherheit namens Ken Munro schaffte, sich in ein "als Puppe verkleidetes Bluetooth-Headset" einzuklinken. Er identifizierte gleich vier verschiedene Arten, das Gerät anzugreifen. Um seinen Erfolg noch zu verdeutlichen, brachte er das Spielzeug dazu, sich in übler Fäkalsprache zu äußern.
Es zeigt sich also, dass das Risiko beim smarten Spielzeug keinesfalls zu unterschätzen ist und es sich lohnt, lieber einmal mehr nachzufragen. Wunderbar dafür geeignet ist die Website Saferinternet, die von der Europäischen Union initiiert wurde – mit dem Ziel, sowohl Jugendliche und Kinder als auch Eltern und Lehrpersonen beim Umgang mit digitalen Medien zu unterstützen.
In der jungen Vergangenheit hat die Initiative die erste umfassende Analyse Österreichs zum Thema ausgearbeitet. Die Ergebnisse wurden per Folder auf der Website publiziert.
Beispiele für cooles, smartes Kinderspielzeug
Brio Smart Track Lock
Die klassischen Holzeisenbahnen, die es gefühlt schon immer gibt, wollen es sich nicht nehmen lassen, auf den Technik-Zug aufzuspringen. Die Bahn selbst funktioniert batteriebetrieben und reagiert mit Licht- und Soundeffekten auf die Umgebung, durch die sie fährt. Mit unterschiedlichen Aktions-Chips, die frei platzierbar sind, kann das Kind selbst entscheiden, wann ein Zug stehen bleiben, weiterfahren oder überhaupt rückwärts weiterfahren soll.
Nicht mehr erhältlich: BB-8 von Sphero
Ein kleiner Blick ins Star Wars-Universum. Wie bereits sein Vorgänger, ist dieser Ball per App steuerbar, hat aber im Gegensatz zu diesem einen neuen Anstrich bekommen. Er kommt im Kleid des kugelrunden neuen Roboters aus dem neuesten Teilen des Leinwandepos. Übers Handy kann man damit sogar holographische Nachrichten sehen.
Osmo
Dabei handelt es sich um einen kleinen Reflektor, der auf die Kamera eines iPads geklemmt wird und so dem Gerät ein neues Leben einhaucht. Die Spiele werden jedoch nicht über die Berührung des Bildschirms gesteuert, sondern mithilfe von Buchstaben, Bausteinen und ähnlichem, die unter die Kamera bewegt werden. (Preis für Starter-Kit: 89€)
Nicht mehr erhältlich: Avakai
Es muss nicht immer Kunststoff sein: Diese Puppen – entwickelt von deutschen Start-Up Vai Kai – werden im Zwillingspaar geliefert. Sie bestehen aus Holz und reagieren darauf, wenn Kinder mit ihr spielen. Durch eine Bluetooth-Verbindung zu Smartphone oder Tablet kann das Spielzeug via Licht, Ton und haptischen Signalen kommunizieren. Bis man aber dann tatsächlich damit spielen kann, muss man sich noch bis zum September gedulden. (Preis: 149 US-Dollar)
Lauschangriff im Kinderzimmer: Cayla
Vor kurzem machte ein besonderes Spielzeug auf sich aufmerksam - die smarte Puppe ‚My Friend Cayla‘. Die Konsumenten und Konsumentinnen werden von der deutschen Bundesnetzagentur dazu angehalten, das vernetzte Spielgerät umgehend zu vernichten oder professionell zu entsorgen. Als Grund dafür wird ein Verstoß gegen § 90 des deutschen Telekommunikationsgesetztes angegeben, es handle sich um eine verbotene Sendeanlage, die zur unbemerkten Fernüberwachung eingesetzt werden könnte. Eine verbotene Sendeanlage zeichnet sich dadurch aus, dass diese den Nutzern vorgaukelt, ein vermeintlich harmloser Alltagsgegenstand zu sein. Mit diesem Entscheid sind in Deutschland nun Besitz, Herstellung und Vertrieb der Puppe verboten.
Kritiker appellieren an Eltern, sich die Anschaffung solcher Produkte sehr gut zu überlegen und zu kontrollieren, ob der Hersteller des gewünschten Spielzeugs einen effektiven Datenschutz garantieren kann. Der Appell ergeht außerdem an die Gesetzgebung, die Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen, damit diese für ausreichend Sicherheit sorgen.
Funktionsweise von Cayla
Um das Risiko, das von intelligentem Spielzeug ausgehen kann, besser verstehen zu können, muss man sich mit dessen Funktionsweise bekannt machen. Als gutes Beispiel dient hier die inzwischen verbotene Cayla.
Via Bluetooth-Verbindung wird die Puppe mit Tablet oder Smartphone verbunden, wodurch sie den Zugang ins Internet erhält. Ohne diese Verbindung funktioniert die Spracherkennungssoftware nicht. Sobald die Halskette von Cayla leuchtet, ist die Netzwerkverbindung aktiv.
Wenn man nun der Puppe eine Frage stellt, sendet diese den Impuls weiter, um eine passende Antwort zu finden – die Puppe benötigt also Mikrofon sowie Lautsprecher. Die Anfrage wird transkribiert und an einen Server übermittelt, wo anhand einer (von Eltern erweiterbaren) Blacklist überprüft wird, ob eine Antwort gegeben werden soll. Im letzten Schritt wird die passende Antwort auf die Frage gesucht und durch die Puppe weitergegeben.
Mehr zu den gängigen smarten Lautsprechern am Markt:
» Amazon Echo Alexa
» Google Home
» Microsoft Cortana
» Apple Homepod
Freibrief zum Mithören
Eines der Probleme an diesem Verfahren findet sich bei der Installation der zugehörigen App. Damit wird nämlich einer Weitergabe der Daten an Dritte zugestimmt. Auch kann sich jedes in der Nähe befindliche Bluetooth-Gerät mit der Puppe verbinden und so Zugriff auf Lautsprecher sowie Mikrofon erlangen – sogar durch mehrere Wände hindurch, wie eine Untersuchung der Universität Saarland offenlegen konnte.
Im Fall der Puppe ist es nicht vonnöten, beim erstmaligen Verbinden mit einem anderen Gerät einen Code eingeben zu müssen, wie dies im Regelfall verlangt wird. Es ist auch möglich, die Puppe durch ihr Mikrofon zu einer Wanze umzufunktionieren, ohne dass der integrierte Halsschmuck leuchten müsste.
Zusätzlich scheint es, als würde die Puppe Werbebotschaften transportieren, indem sie – zum Beispiel – nebenbei von ihren liebsten Disney-Filmen erzählt.
Einer der Vorteile des smarten Zeitalters:
Blindes Vertrauen in künstliche Intelligenz
Viele der als smart einzustufenden Spielwaren verfügen über eine künstliche Intelligenz, welche nun aus ihrem Dasein in den Nischen spezieller Branchen heraustritt, um in unserem täglichen Leben Fuß zu fassen. Spielzeuge werden damit nicht nur dazu fähig, zuzuhören, sondern sie lernen auch – genau wie die damit interagierenden Kinder.
Gegenüber der Washington Post stellt der Zukunftsexperte Dominic Basulto fest, dass der Nachwuchs wie selbstverständlich und ohne Skepsis anfängt, mit den Gerätschaften in eine kommunikative Situation zu treten. Ein intuitiver Turing-Test, der eigentlich die Abgrenzung zwischen Mensch und Technik kennzeichnet, wird nicht mehr durchgeführt.
Hello Barbie und der Big-Brother-Award
Hello Barbie, die getunte Barbie-Puppe, die mit Kindern in Interaktion treten kann, wurde als zweifelhaftes Negativbeispiel mit einem ganz besonderen Preis "geehrt": Bei den sogenannten Big Brother Awards – kurz BBA – handelt es sich um Negativpreise, die jährlich in mehreren Ländern vergeben werden und womit besondere Leistungen in puncto Beeinträchtigung der Privatsphäre von Personen und Weitergabe persönlicher Daten an Dritte ausgezeichnet werden sollen.
2015 durfte sich der Spielwarenhersteller Mattel für das in Kooperation mit der Firma Toytalk entstandene Produkt "Hello Barbie" über die zweifelhafte Ehrung sowohl aus Deutschland als auch aus Österreich freuen. Hintergrund war, dass die Interaktionen der Kinder mit der Puppe aufgezeichnet wurden und auch weitergesendet werden konnten. So erhielten Eltern täglich einen Bericht der akustischen Überwachung aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich ihrer Sprösslinge.
Mit dem Big Brother Award soll auf Problematiken des Datenschutzes aufmerksam machen. Namensgebend für die Auszeichnung ist die Figur des Großen Bruders in George Orwells Kultroman "1984".
In Österreich wird dieser Preis seit dem Jahr 1999 vergeben und es gibt verschiedene Kategorien, in welchen man sich besonders hervorheben kann – etwa Business und Finanzen, Politik, aber auch Weltweiter Datenhunger, einen People’s Choice Award sowie einen Sonderpreis für ein "lebenslanges Ärgernis".
Ob man seinen Kindern dem Umgang mit solchen Spielwaren erlauben will oder nicht, bleibt jedem Erziehungsberechtigten selbst überlassen. Dennoch ist es heute wichtiger denn je, sich angesichts des Dschungels aus den schillernden Innovationen der Spielzeugindustrie nicht zu verlieren und dabei sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen zu übersehen. Kinder müssen vor Gefahren geschützt werden, vor allem, wenn sie sich dieser (noch) nicht bewusst sind.
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