Twin City Liner
Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen
Selma ist elf Jahre alt und lebt mit ihren Eltern, Türken zweiter Generation, und vier Geschwistern in Ottakring. Sie unterscheidet sich im Kleidungsstil und Verhalten nicht wesentlich von österreichischen Kindern ihres Alters, ist aufgeweckt und neugierig. Noch muss sie die religiösen Pflichten einer muslimischen Frau nicht erfüllen, Kopftuch trägt sie auch noch keines. Sie weiß noch nicht, ob sie in Zukunft ein Kopftuch tragen wird. Ihre Eltern würden es sich wünschen. Vor allem der Vater, denn "er weiß, wie Männer denken", sagt er und glaubt seine Tochter im Hijab gekleidet in der Öffentlichkeit besser geschützt.
Während es vorrangig erwachsene Muslimas oder Mädchen im Teenageralter sind, die Kopftuch tragen, sieht man in Österreich auch vereinzelt Mädchen im Kindergarten- oder Volksschulalter mit Verschleierung. Doch das soll sich nun ändern, denn die Regierung plant ein Koptuchverbot in Kindergärten und Volksschulen.
Das Kopftuch im Islam
Peinlich genau wird auch bei den jungen Muslimas darauf geachtet, dass kein einziges Haar aus der meist zweiteiligen Kopfbedecktung hervorlukt. Die Auffassung, dass die Haare der körpereige Schmuck einer Frau sind, und deshalb einen Reiz darstellen, der verborgen werden muss, findet sich nicht nur im Islam: ultraorthodoxe Jüdinnen etwa tragen ab der Heirat in der Öffentlichkeit eine Perücke – den sogenannten Scheitel. Aber bei keiner Religion spielt dieses Kleidungsstück eine so große Rolle wie im Islam. Doch warum entscheiden sich viele Muslimas dazu, sich in der Öffentlichkeit ausschließlich mit Hijab zu zeigen?
Als „Hijab“ versteht man die islamisch konforme Kleidung von Frauen, die neben dem Koptuch auch andere Regeln beinhaltet, wie etwa, dass die Kleidung nicht körperbetont sein soll und Arme wie Beine bedecken sind. Die Entscheidung dafür kann folgende Gründe haben:
- Die Frau will ihre Zugehörigkeit zum Islam signalisieren
- Zeichen der Frömmigkeit
- Zeichen der Bescheidenheit
Der umstrittenste Grund für das Tragen eines Hijabs besteht allerdings darin, dass die „moralischen Grenzen“ zwischen Mann und Frau erhalten bleiben sollen. Frauen können sich mit der "zurückhaltenden" Kleidung ihre Privatsphäre in der Öffentlichkeit erhalten und tun das ihre dazu, von Männern weniger als Sexualobjekte betrachtet zu werden.
Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen
Die Regierung sieht nun vor, ein Kopftuchverbot an den österreichischen Kindergärten und Volksschulen durchzusetzen. Das Verbot soll unter dem Namen „Kinderschutzgesetz“ auf Schiene gebracht werden und wird von Bildungsminister Heinz Faßmann in erster Linie symbolisch verstanden. An dem geplanten Verbot scheiden sich die Geister, es gibt zahlreiche Befürworter, aber auch Gegenstimmen.
Argumente für das Verbot
Ein Argument für ein Kopftuchverbot von Mädchen unter zehn Jahren liegt darin, dass der Hijab, wie bereits erörtert, unter anderem dazu dient, die weiblichen Reize vor den Männern zu verdecken. Damit werden Frauen allerdings auch indirekt sexualisiert. Grundsätzlich wird der Hijab ab der Geschlechtsreife, also mit Eintritt der Regel getragen. Vorpubertäre Mädchen ein Kleidungsstück tragen zu lassen, welches getragen wird, um vor Männer eben nicht als Lustobjekt zu fungieren, ist deshalb nicht unproblematisch.
Argumente gegen das Verbot
Die Pläne der Regierung stoßen auch auf Kritik. So gibt es etwa die Befüchtung, dass ein Verbot das Entstehen von Paralellgesellschaften fördern könnte, da sich Eltern möglichwerweise dafür entscheiden, Kinder in spezielle Privatschulen zu schicken. Ein weiteres Argument ist, dass man dadurch die muslimische Community in Österreich verärgern könnte. Zudem werde mit zweierlei Maß gemessen und verletzt den Gleichheitsgrundsatz: denn andere religiöse Kleidungsstücke wie etwa die Kippa bei jüdischen Burschen werden außen vor gelassen. Verfassungsrechtlich sei ein Kopftuchverbot nur dann zulässig, wenn man es als religiöses Symbol interpretiert und infolgedessen müssten sämtliche religiöse Symbole in Schulen verboten werden. Das Koptuch als kulturelles Symbol könne man nicht verbieten, da von ihm keine Gefahr der Sicherheit ausgeht. Viele Stimmen sehen in dem kommenden Kopftuchverbot allerdings eine sinnlose Maßnahme, da tatsächlich nur sehr wenige vorpubertäre Mädchen in Österreich einen Hijab tragen.
Einige weitere Stellungnahmen dazu
Karl Nehammer - ÖVP Generalsekretär, 10.4.2018
Gudrun Harrer - Journalistin und Nahostexpertin, 14.4.2018
Biber Magazin für "neue" Österreicher, Pro und Contra, 23.2.2018
Hinterlassen Sie einen Kommentar!
Empfohlene Beiträge
weitere interessante Beiträge
Samir
20. Juli 2024 - 09:31 Uhr
Habib
Alle Kommentare anzeigen
22. September 2022 - 20:54 Uhr
Ich mein wo bleibt der Kinderschutz bei der männlichen Geschlechtsverstümmelung der Beschneidung. Wenn das kein Trauma hinterlässt vor der ganzen Gesellschaft beschnitten zu werden. Was dann?
christine
19. März 2019 - 21:49 Uhr
In Italien tragen heute noch alte Frauen das Kopftuch als Zeichen für ihr Alter..sie schaffen sich Ruhe und nehmen offen Abschied von der Jugend die gepaart ist von Erotik
christine
19. März 2019 - 21:46 Uhr
Wenn das Kopftuch ohne religiösem Hintergrund getragen wird weil es vielleicht gerade Mode ist ..Einschitt in die persönliche Freiheit-Freiheitsberaubung! In dieser Zeit wo das männliche Geschlecht offensichtlich ohne Scham eine Frau ob mit Partner oder ohne ohne Scham von oben bis unten anschaut und belästigt überlegt man sich auch als Österreicherin befeckt auf die Strasse zu gehen.Schöne Haare von Mädchen wirken erotisierend auf Männer..weiss doch jeder.Warum soll ein weibliches Wesen die Haare nicht verhüllen.Fragts einmal Mitschüler in den Schulen ob sie das Kopftuch stört.Der Mensch zählt nicht wie und was er als Kleidung trägt.
Günther
11. Jänner 2019 - 17:39 Uhr
Sie schreiben:'Damit werden Frauen allerdings auch indirekt sexualisiert. 'Hier geht es eben darum dass auch schon Kinder sexualisiert werden. Und Ihre Meinung, dass 'nur sehr wenige vorpubertäre Mädchen in Österreich' betroffen sind macht mich betroffen, denn ich frage mich schon ob das Wesen des Opfer seins (hier Opfer der Sexualisierung) mit der Häufigkeit des Auftretens zusammen hängt. Tut es natürlich nicht und Ihr Text hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack der Bagatellisierung.Zu Ihrem anderen Argument:'Ein weiteres Argument ist, dass man dadurch die muslimische Community in Österreich verärgern könnte. ' möchte ich mich gar nicht Äußern, so absurd scheint es mir...
Hans
12. Mai 2018 - 04:53 Uhr
Die Herren in der Politik haben keine Ahnung von der Realität.