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Egon Schiele

Melancholie und Provokation. Das Leopoldmuseum zeigt Schiele im Kontext mit zeitgenössischen Künstlern. Ausstellung, das Egon Schiele-Projekt 23. September 2011 bis 30. Jänner 2012

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Bei der diesjährigen Herbst-Ausstellung zum 10-Jahres-Jubiläum des Leopoldmuseum wagt das Haus ein interessantes Schiele-Projekt im Dialog mit einer klassischen Schiele-Ausstellung, die dem Frühwerk des Künstlers gewidmet ist.
Zu seiner Zeit war das Werk des jungen Schiele ein Affront und eine Provokation, zur Zeit des dekorativen Jugendstils, galt Egon Schiele als Enfant Terrible.
 
Der Teil der Ausstellung, der Schieles unvergleichliches Frühwerk (1910 – 1915) gewidmet wurde, ist von Elisabeth Leopold kuratiert worden. Der treffende Titel „Melancholie und Provokation“ stammt auch von ihr. Schwärmerisch erzählt sie, dass Schieles Bilder aus einer Traumwelt stammen, aus einer transzendentalen Zwischenwelt. Das von Rudolf Leopold zuletzt angekaufte Bild von Feuerbach, die „Medea“, dass der leidenschaftliche Sammler zum 10-fachen des Schätzpreises kaufte, fehlt nicht in der Ausstellung, um die Zeit, in der Schieles ausdrucksvolles Werk, entstand, zu skizzieren.

Fand doch der Künstler, der bereits mit 28 Jahren verstorben ist, 1910 zu seinem eigenem Stil, einen aggressiven Expressionismus. 1980 geboren, war er zu dieser Zeit gerade 20 Jahre alt. Der Vorgänger dieser Stilrichtung war Oskar Kokoschka, der ebenfalls in der Ausstellung gewürdigt wird. Kokoschkas farbintensives Bildnis in seinem Atelier, (Selbstbildnis an der Staffelei), ist als Schlussbild zu sehen.

Anerkennung hat Schiele in seinem kurzen Leben nicht bekommen, die Zeit war noch nicht reif für den melancholischen Träumer. Auch für den Sammler Rudolf Leopold war Schiele von der metaphysischen Kraft der Gotik beeinflusst, er bezeichnete ihn gerne als Gotiker und Träumer.
Eines der Hauptwerke des Künstlers, „die Eremiten“, zeigen Züge von gotischen Asketen.

Vor 100 Jahren war in der Galerie Miethke die erste Schiele-Ausstellung zu sehen.
Den Grundstein der Ausstellung im Leopoldmuseum legte somit die Ausstellung bei Miethke und der noch existierende Katalog, den die Galerie Miethke in der Dorotheergasse herausgab. (ist Sin einer Vitrine zu sehen).
Die damaligen Bilder in der Ausstellung von Miethke werden in einer teilweise veränderten, Neuauflage gezeigt.
Es fehlen weder, der Selbstseher, der Lyriker, Rotes Auge, die Tote Stadt, Prophet, Weltwehmut und das besonders ausdrucksstarke Porträt von Eduard Kosmack. Nur das Gemälde Delierien ist verschollen.

Schiele und seine eigene Körpersprache
Auch Schiele war von den malerischen Vorbildern seiner Zeit beeinflusst, neben Kokoschka, man denke an „Träumenden Knaben“, fand er eine eigene Bildsprache, Bewegungen und Verrenkungen des Körpers darzustellen und zu verzerren.
(Egon Schiele,„Selbstdarstellung mit gespreizten Fingern“,
1911, „Sitzender Männerakt“ „(Selbstdarstellung), 1910.
Schattenspielfiguren aus Java, mit tänzerischen Verrenkungen beeinflussten Schiele auch und er übernahm in seinen Posen Elemente  des frühen Ausdruckstanzes.

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Zwischen Sehnsucht und Leidenschaft
Der Künstler hat sich immer wieder selbst als Modell genommen und seine Verdrehungen oder verzerrte, schmerzvoll anmutende Gesichtsausdrücke abgebildet. Auch das 1911 entstandene Bildnis „Der Lyriker“ ist eigentümlich verdreht in seiner Pose. Schiele verstand die Bewegungen als Ausdruck seines inneren Befindens, er kehrte sich ab von der Ästhetik, was ihn von Gustav Klimt unterscheidet, der dem Ornament treu geblieben ist.
Der erste Teil, vor der Bruchline zu den Zeitgenossen,
ist eine klassische, aber beeindruckende Schiele-Schau, in der, neben den provokativen Aktdarstellungen von jungen Mädchen, ebenfalls meist in gespreizten, für die damalige Zeit, unzüchtig geltenden Posen, auch seine einfühlsamen Landschaftsdarstellungen vertreten sind. Trauer, Wehmut und Verfall finden sich in diesen melancholischen Bildern.
(Rabenlandschaft, von 1911, Die Häuser am Meer, von 1914, Versinkende Sonne von 1913), wie im Bild Tote Stadt, von 1911 ist im Bild der Versinkenden Sonne, Schieles Schwermut und Todessehnsucht beim Betrachten zu erspüren.

Das Gedicht von Egon Schiele („Ein Selbstbild“) aus dem Jahr 1910, lautet in der letzten Zeile „Ich bin Mensch, Ich liebe den Tod und liebe das Leben“. Besser könnte man den Künstler Schiele nicht charakterisieren. In dieser Gefühlsspanne entstanden Kunstwerke aus einer inneren Notwendigkeit, ein treffendes Schiele-Zitat in der Ausstellung: „mein Wandelweg führt über Abgründe“  
 

Die Dialogschau mit den Zeitgenossen

Zu dem spannenden Schiele-Projekt wurden 6 Künstler von Diethard Leopold, dem Sohn von Rudolf Leopold eingeladen, jeweils einen Raum zu gestalten und mit Schiele und seinen Arbeiten in Dialog zu treten. Die eingeladenen Künstler kommen aus verschiedenen Bereichen, wie der Bildenden Kunst, Tanz, Theater, Performance. Diethard Leopold, stellte zu Beginn der Pressekonferenz, die Frage: „What is art, and why does it matter?“ Seine These lautet, dass die in der Vergangenheit entstandene Kunst durch Zeitgenossen neu formuliert wird. Die Idee dieses Ausstellungsprojekts geht auf Gespräche mit dem Kunsthistoriker und Kurator Hubert Klocker zurück.

Die eingeladenen Künstler, zwei Frauen und vier Männer sind

Rudolf Schwarzkogler, Günther Brus und Maler aus der zweiten Generation wie Elke Krystufek, und Franz Graf. Aber und das bringt zusätzlich Spannung in das Projekt, ging man über das Genre des Tafelbildes hinaus, indem Claudia Bosse, die als Regisseurin und Raumchoreografin vom Theater kommt und Philipp Gehmacher, einen Tänzer ,mit eingeladen hat sich mit dem Frühwerk von egon Schiele auseinanderzusetzen..

Hubert Klocker, der als Kurator Kunstwerke zum Dialogisieren bringen möchte, freut sich dass Rudolf Schwarzkogler mit dem Wiener Aktionismus im Leopoldmuseum angekommen ist. Günther Brus führt diesen Dialog fort. Gilt doch der Wiener Aktionismus als wichtigste Kunstströmung, haben doch ihre Vertreter an den frühen Modernismus angeschlossen.

Mit dieser Art, eine klassische Aussstellung zu ergänzen, zeigt das Leopold Museum erstmals eine neue Aufgeschossenheit für den Dialog mit Zeitgenossen. Kunstwerke werden immer interessanter, wenn sie mit anderen in Kontext gesetzt werden.

Anwesend von den Künstlern waren bei der Pressekonferenz  Claudia Bosse und Philipp Gehmacher.

Die beiden, die von ihrem künstlerischen Ausdruck vom Theater, wie Bosse und vom Tanz, wie Gehmacher kommen.

Der Kurator des Schiele-Projekts Diethard Leopold hat die KünstlerInnen aufgefordert, sich Werke aus der Schiele-Sammlung auszusuchen. Es wurde ihnen völlig offengelassen, wie sie in Dialog mit Schiele treten möchten.

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Der Output dieses Projekts ist wirklich gelungen.

Claudia Bosse, die Choreografin hat als erste Künstlerin der zweiten Generation, bereits im Juli an dem Projekt zu arbeiten begonnen und den ihr zugedachten Raum in ihrer Arbeitsweise übersetzt.

„Obsession“, steht herausragend über einem ihrer Raumkompositions-Elemente. Bosse verwendet als Choreografin Sprach-, Text- und Sound-Elemente.

Schiele war die Leidenschaft auch verinnerlicht. Das Schielebild das sie sich ausgesucht hat, ist „ Herbstbaum in bewegter Luft“. Sie wollte einen Raum im Leopoldmuseum schaffen, der als Raum zum Verweilen und zum Betrachten einlädt. Bosse hat ihn bestückt mit Schiele Bildern, mit Dokumenten, einen Raum mit Narrativen, und Vergleichen geschaffen. Ihr intensive Auseinandersetzung mit Schiele ist herausragend.

Als nächster Künstler, der sich mit dem Körper und Körperlichkeiten auseinandersetzt, kam im August Philipp Gehmacher dazu. Für ihn war die Identitätsfindung wichtig, Schieles Selbstdarstellungen und Selbst-Akte waren für den Tänzer von größtem Interesse.

Gehmacher zeigt 6 ausgewählte Schiele-Arbeiten, die er kontextuiert mit 2 Vidoarbeiten ,Fotografien und Materialtischen. „Wie spannen sich Körper im Raum auf“, fragte er sich bei seiner Annäherung an Schiele.

Er hat in einer seiner beiden Vidoarbeiten 2 Männer im Tanz miteinander dargestellt, einer davon ist er selbst, jenseits von Homophobie, Gehmacher spielt mit Körpern, in der zweiten Video-Arbeit, hat er bewusst als Tanzpartnerin eine androgyne Frau gewählt, um die Hertero-Normalität zu hinterfragen.

Gehmacher wollte ohne Live-Performance als Tänzer und ohne die Live-Präsenz den Raum gestalten, die laufenden Filme, unterstützten sein Vorhaben und holten ihn so in den Raum.

Elke Krystufek, zeigt in ihren Bildern, ein männliches, heterosexuelles Aktmodell und nähert sich dem Tabu der weiblichen Schaulust an einem männlichen Objekt an. In ihren zumeist geschlechtsspezifischen Arbeiten vertritt die Künstlerin feministische Positionen.

Ihre kritische Annäherung an Schiele, fand sie indem sie zwei frühe Landschaften des Künstlers für ihr Projekt auswählte. Diese hat Schiele mit 16 Jahren gemalt. Als Vorlage für ihre Aktbilder dienten ihr Fotografien, die sie ebenfalls mit 16 Jahren aufnahm, zu einer Zeit, als sie erstmals daran dachte, Künstlerin zu werden.

 Der Raum von Rudolf Schwarzkogler, der wie Schiele bereits mit 28 Jahren verstorben ist, gehört zu den großen Geheimtipps des Aktionismus. Hubert Klocker hat diesen Raum für den Künstler Rudolf Schwarzkogler kuratiert.

Der Kurator hat neben Zeichnungen von Egon Schiele Schwarzkoglers Aktionsfotografien gehängt. Beide beschäftigten sich in ihren Sprachen und Ausdrucksmitteln mit dem männlichen Körper.

Der Aktionist bediente sich wie Schiele seines eigenen Körpers, bearbeite die Themen von Sexualität, Tod bis zur Selbstzerstörung.

So wird Schwarzkogler im Dialog mit Schiele posthum eine Hommage gewidmet.

Der nächste große Mitbegründer des Aktionismus in der 60-er Jahren ist Günther Brus. Sein Bild „Hommage a Schiele“ von 1965, zeigt, dass er schon immer in seinem Werk einen starken Bezug, besonders zu Schieles erotischem Werk hatte.

Stilistisch und auch von der Wahl der Motive sieht Brus seine Arbeiten selbst als Fortsetzung zu Schieles Fragestellungen. Seine künstlerischen Ausdrucksmittel waren Körperanalysen bis hin zur Selbstzerstümmelung.  Seit 1970 arbeitet Brus nur mehr mit dem Medium der Zeichnung, bei dem sich Text und Bild ergänzen.

 Zum nächsten Vertreter, der 1. Generation nach Schiele gehört

Martin Graf. Er gehört zu den Multitalenten der österreichischen Kunstszene. Graf bearbeitet kulturelle Codes. Im Dialog mit Schiele entscheidet er sich für Arbeiten von Schiele mit aggressiver Erotik, die nackte Mädchen und Frauen darstellen. Seine Auseinandersetzung mit Schiele basiert auf dem Satz, „Jetzt ist sie fort, jetzt begegne ich ihrem Körper“. Diese poetische Reflexion arbeitet mit der Erinnerung.

Schon immer hat der Freestyler Graf seine Inszenierungen, zelebriert, ob es sich dabei um Bondage-Settings handelte oder andere Inbesitznahmen von Raum, wie hier einen Raum für Schiele zu bespielen. Grafs Bilder sind widerspenstig, schön und schrecklich zugleich.

Hätte Egon Schiele heute zu dieser Ausstellung befragt werden können, wäre er sicher mit den Arbeiten der zeitgenössischen Künstler und deren Weiterführungen seiner Werke mehr als einverstanden gewesen.

Verena Nussbaumer

Öffnungszeiten

Täglich außer Dienstag: 10-18 Uhr

Donnerstag: 10-21 Uhr

Dienstag geschlossen

Ausnahmen

Dienstag, 1. November 2011: Museum 10-18 Uhr geöffnet.

An folgenden Donnerstagen schließt das Museum aufgrund von Sonderveranstaltungen bereits um 18 Uhr:

Donnerstag, 22. September 2011,

Donnerstag, 13. Oktober 2011.

Sonderöffnungszeiten Weihnachten 2011

Das Museum ist am 24.12. geschlossen. An den Dienstagen 27.12. und 03.01.2012 ist das Museum von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Am 31.12. ist das Museum von 10:00 bis 17:00 geöffnet.

www.leopoldmuseum.org

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