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Palais: Wiener Palais und ihre Geschichte
Was genau versteht man eigentlich unter dem Begriff „Palais“? Und welche sind die schönsten Palais in Wien? All das und noch mehr erfahren Sie hier.
Inhalt
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Das Palais: Definition und Geschichte der Adelswohnsitze
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Krieg und Frieden: Die Blütezeit des Wiener Palais
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Architektur der Palais – Pracht, Prunk, Reichtum
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Beletage, Mezzanin, Souterrain: Die strenge Hierarchie der Palais-Bauweise
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Der Palais-Garten als Statussymbol
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Gartenpalais versus Stadtpalais: Wesentliche Unterschiede
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Vom neuerlichen Aufblühen der Palais bis zu ihrem Fall
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Die heutigen Besitzer und Funktionen der Wiener Palais
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Die schönsten Wiener Palais zum Besichtigen
Das Palais: Definition und Geschichte der Adelswohnsitze
Ein Palais ist ein unbefestigter Adelswohnsitz in einer Stadt. Damit ist zunächst die Abgrenzung gegenüber einer Burg gegeben, die immer mehr oder minder befestigt ist und meist auf dem Lande liegt, wenngleich es natürlich auch Stadtburgen gibt. Als Schlösser werden in erster Linie Herrscher- bzw. Adelswohnsitze in ländlicher Umgebung bezeichnet, doch fällt hier die Abgrenzung schon schwerer, da sich zum Beispiel Schloss Hetzendorf oder Schloss Schönbrunn durchaus in städtischer Umgebung befinden. Allerdings lagen diese Bauten zur Zeit ihrer Entstehung weit außerhalb der Stadtmauern, was aber auch für manche Palais, wie das Augartenpalais oder das Palais Rasumofsky gilt. Immerhin kann man sagen, daß Schlösser meist ländlicher und größer als Palais sind. In Einzelfällen überschneiden sich jedoch die Bezeichnungen, vor allem bei den Gartenpalais. So könnte etwa das Palais Schwarzenberg oder das Gartenpalais Liechtenstein durchaus auch als Schlösser bezeichnet werden.
Während in Rom die Adelspaläste als das bezeichnet werden, was sie sind, als palazzi, nennt man sie in Paris etwas bescheidener hôtel und in London sogar schlicht houses. In Wien wählte man den Mittelweg und bevorzugte die verkleinernde Form Palais, was aber durchaus nicht auf die Größe oder die Qualität der Ausstattung schließen lässt.
Eine größere Anzahl von Palästen verschiedener Adelsfamilien in einer Stadt läßt immer auf das Vorhandensein eines Herrschersitzes im gleichen Ort schließen, denn nur dort mussten sich gleichzeitig mehrere Adelige aufhalten, um den Herrschern zur Verfügung zu stehen. Und wo dies der Fall war, gab es das Bedürfnis, die Bedeutung der eigenen Familie durch ein repräsentatives Gebäude zu dokumentieren. So war es auch in Wien, der Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Hier residierten die Habsburger, die über Jahrhunderte hinweg Mitteleuropa dominierten und eine große Anziehungskraft auf die Adelsfamilien Europas ausübten. Damit boten sich die größten Chancen, gesellschaftlich und politisch Karriere zu machen.
Erstrebenswert waren auch die zahlreichen hohen Posten in der Verwaltung oder beim Militär, die das Kaiserhaus zu vergeben hatte. Es ist daher kein Wunder, dass hier zahlreiche Paläste von Familien gebaut wurden, die aus allen Teilen der Monarchie (z.B. Esterházy, Lobkowitz, Palffy, Auersperg, Lubomirski), aber auch aus Spanien (Hoyos), Portugal (Silva-Taroucca), Italien (Pallavicini, Collalto, Caprara, Strozzi), Deutschland (Metternich, Württemberg), Frankreich (Prinz Eugen), Rußland (Rasumofsky) und anderen Ländern Europas stammten.
Krieg und Frieden: Die Blütezeit des Wiener Palais
Ein guter Teil des österreichischen bzw. böhmischen Adels konnte die wirtschaftlichen Grundlagen für seine spätere Bautätigkeit bereits nach der Schlacht am Weißen Berg um 1620 gewinnen, als die bis dahin führenden böhmischen Adeligen enteignet und ihr Besitz auf die Parteigänger des Kaisers Ferdinand II. aufgeteilt wurde. Die Familien Liechtenstein und Dietrichstein errichteten im Laufe der Zeit jeweils gleich mehrere Paläste in Wien. Bemerkenswert ist der große Anteil an hohen Militärs unter den Bauherren (Prinz Eugen, Mansfeld, Caprara, Daun, Starhemberg). Diese erhielten für ihre Verdienste in den Türkenkriegen vom Kaiser große Summen oder Güter, wodurch sie sich ihre neuen Palais leisten konnten.
Wien ist – wie auch Rom und Prag – in erster Linie für seine Barockpaläste bekannt. Die große Zeit des österreichischen Barocks begann mit dem Sieg über die Türken 1683 vor Wien und endete fast hundert Jhre später 1780 mit dem Tod der Kaiserin Maria Theresia. Im Mittelalter dominierten in Wien noch Sakralbauten und Bürgerhäuser. Auch die Zeit der Renaissance hat bei uns in dieser Hinsicht nicht allzu viel hinterlassen. Renaissance-Paläste galten mit Beginn der Barockzeit als unmodern und wurden entsprechend erneuert oder umgebaut. Außerdem gab es nicht viele Renaissance-Paläste in der Stadt, da es gerade in jener Zeit Spannungen zwischen dem Adel und dem Kaiserhaus gab. Viele Adelige zogen es deshalb vor, lieber auf ihren Landsitzen zu leben, als dem Kaiser zu nahe zu kommen.
Dennoch gab es im 16. Jahrhundert und um das Minoritenkloster im ehemaligen „Herrenviertel“ eine Anzahl von Stadtpalästen, die evangelischen Adeligen gehörten. Während der Gegenreformation mussten aber zahlreiche Familien aus Glaubensgründen das Land verlassen. Außerdem kosteten die zahlreichen Kriege des 17. Jahrhunderts viel Substanz. So wurden anlässlich der beiden Türkenbelagerungen alle Palais und Schlösser außerhalb der Stadtmauern vernichtet. Erst mit der Vertreibung der Türken aus Mitteleuropa, die sich an die Zweite Belagerung Wiens anschloss, begannen ruhigere und friedlichere Zeiten. Es setzte ein unvorstellbarer Bauboom ein, der das Stadtbild deutlich veränderte.
Dadurch, dass die Mauern und Fortifikationen entlang der Grenze des heutigen 1. Wiener Gemeindebezirks nicht verlegt und die Glacis nicht verbaut werden durften, entstand eine beispiellose Konzentration von Repräsentationsbauten auf kleinstem Raum. Für den Bau eines jeden neuen Palais mußten mehrere Bürgerhäuser gekauft und abgerissen werden. So gab es 1730 in Wien noch 930 Bürgerhäuser, aber bereits 248 adelige Paläste und Herrschaftshäuser, also fast ein Viertel des gesamten Baubestandes. Der Mangel an Bauplätzen war so schlimm, dass auch große Kirchenbauten wie die Karlskirche außerhalb der Stadtmauern entstehen mussten. Dieser Raummangel beherrschte Wien bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
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Architektur der Palais – Pracht, Prunk, Reichtum
Vorbild für die Wiener Barockpaläste waren ursprünglich jene in Rom. Daher beschäftigte man vorerst vorwiegend italienische Architekten wie Giovanni Pietro Tencala, Domenico Martinelli, Domenico Carlone und Domenico Egidio Rossi. Die bedeutendsten Baumeister des Hochbarocks waren jedoch Johann Fischer von Erlach und Johann Lukas von Hildebrandt. Sie überboten sich jeweils in der Gestaltung der Fassaden sowie möglichst prächtiger Portale und Stiegenhäuser. Die beiden Architekten lieferten sich einen harten Konkurrenzkampf und verdrängten sich gegenseitig. So wurde beim Palais Schwarzenberg Hildebrand von Fischer abgelöst. Beim Stadtpalais des Prinzen Eugen war es umgekehrt.
Zu beachten ist jedoch, dass die großen Stararchitekten lediglich die Pläne lieferten und mit der Bauausführung meist nichts mehr zu tun hatten. Diese erfolgte immer durch lokale Baumeister. Dennoch ist die – auch für heutige Verhältnisse – oft sehr kurze Bauzeit bemerkenswert. Zwei Jahre von der Planung bis zur Fertigstellung waren keine Seltenheit. Die Innenausstattung zog sich aber oft noch über Jahre hin, was vor allem daran lag, dass vermögende Bauherren nur die besten Bildhauer und Maler beschäftigen wollten, diese aber oft auf Jahre hinaus ausgelastet waren.
Während man bei den österreichischen Barockschlössern häufig den französischen Vorbildern folgte und sie um einen Ehrenhof herum erbaute, sodass das Hauptgebäude von der Straße abgerückt wurde, war dies bei den Palais nicht der Fall. Die Wiener Palais sind fast durchwegs mit ihrer Schauseite direkt in die Straßenflucht gestellt. Der mehr oder weniger repräsentative Hof, hinter dem sich oft auch ein Wirtschaftshof befand, lag hinter dem Gebäude. Die Zufahrt zu ihm erfolgte durch eine fast immer gewölbte Durchfahrt, von der ein- oder beidseitig repräsentative Treppenläufe zur Beletage aufstiegen. Aus dem bereits erwähnten Platzmangel wurde vorwiegend in die Höhe gebaut. Vier bis fünf Geschosse sind keine Seltenheit.
Beletage, Mezzanin, Souterrain: Die strenge Hierarchie der Palais-Bauweise
Den Reichtum und die Bedeutung der eigenen Familie konnte man am besten in der Fassadengestaltung zum Ausdruck bringen. Daher wurde hier mit plastischem Schmuck nicht gespart und die Fenster reich dekoriert. Besonderer Wert wurde auf ein aufwendiges Portal gelegt. Es war fast immer von Atlanten, Karyatiden oder Säulen flankiert, die einen breiten Balkon trugen, auf dem sich der Hausherr bei entsprechenden Anlässen zeigen konnte. Auch die Prunkstiege war ein entsprechendes Statussymbol. Sie bot ihm die Möglichkeit, seinen Gästen bei der Begrüßung – je nach ihrer Bedeutung – mehr oder weniger weit entgegenzukommen.
Die Paraderäume der Beletage befanden sich meist im ersten Hauptgeschoss. Die engen Gassen der Wiener Innenstadt zwangen aber die Architekten gelegentlich – um einen entsprechenden Lichteinfall zu ermöglichen –, dieses Hauptgeschoss relativ hoch anzusetzen. Dies wurde erreicht, indem man ein oder zwei Mezzaningeschosse daruntersetzte. In den oberen Stockwerken befanden sich Wohn- und Gästeräume. Die Dienerquartiere waren meist im Souterrain oder in den Seitenflügeln untergebracht. Dies galt auch für Stallungen und Remisen.
as die Einrichtung betrifft, so wechselte diese häufig. Da der Adel meist nicht das ganze Jahr in Wien verbrachte, sondern dem Sommer über auf seinen Landsitzen lebte und im Herbst die Jagdschlösser frequentierte, wurden kostbare Möbel und Bilder oft zwischen den einzelnen Besitzungen ausgetauscht.
Der Palais-Garten als Statussymbol
Nach 1683 lagen die Vorstädte in Trümmern, die Weingärten waren verwüstet, die Bewohner durch Tod oder Verschleppung stark dezimiert. Die Grundstücke waren daher sehr billig. Viele Adelsfamilien nutzten dies und erwarben große Flächen, die sie in Gärten umwandelten. Es begann die Blütezeit der Gartenpalais. Vor den Toren der Stadt entstand eine solche Fülle von Gartenpalästen, dass Wien innerhalb weniger Jahrzehnte zur größten barocken Gartenstadt Europas emporstieg: Damals gehörte es in adeligen Kreisen zum guten Ton, in Wien ein Stadtpalais und in den Vororten ein Gartenpalais zu besitzen. So gehörte etwa Prinz Eugen das Stadtpalais in der Himmelpfortgasse und das Belvedere. Die Grafen Schönborn hatten ihr Palais in der Renngasse und das Gartenpalais in der Laudongasse.
Kein geringeres Bauwerk als Versailles war es, das zum Vorbild der Gartenkunst Wiens wurde. Schloss bzw. Palais und Garten galten als ein Gesamtkunstwerk, der Garten wurde als Erweiterung des Palais betrachtet und als Repräsentationsraum für Theater, Musikdarbietungen, Feste und Feuerwerke genutzt. Ein Barockgarten zeichnet sich durch die geometrische Strenge des um eine Mittelachse gruppierten Wegesystems aus. Er stellt die von Menschenhand gebändigte Natur dar. In ihm wird nichts dem freien Wuchs überlassen. Bäume und Hecken sind exakt geschnitten. Nahe am Palais liegen die Parterres mit ihren reichen Blumen- und Buchsbaumornamenten. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich in den Wiener Barockgärten die Belvederes, die als Blickfang auf der höchsten Erhebung des Gartens errichtet wurden. Repräsentative Beispiele dafür sind etwa das Obere Belvedere oder die Palais Liechtenstein und Schönburg. Ein wichtiges Gestaltungselement eines Barockgartens ist das Wasser in Form von Springbrunnen, Kaskaden und Wasserspielen.
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Gartenpalais versus Stadtpalais: Wesentliche Unterschiede
Das Gartenpalais unterscheidet sich vom Stadtpalais durch eine intimere, heiterere und weniger zeremonielle Gestaltung. Die Schauseiten dieser Palais sind häufig der Stadt bzw. dem kaiserlichen Hof zugewandt. Wichtigster Bauteil ist der große, oft überkuppelte, ovale oder runde Festsaal, der für die hier veranstalteten Bälle unentbehrlich war. Den harmonischen Übergang vom Palais zum Garten bildete die Sala terrena, die oft grottenartig gestaltet ist. Aus den Stichen von Salomon Kleiner sind uns eine reihe von prächtigen barocken Gartenpalais bekannt, von denen sich nichts erhalten hat, wie das Palais Hockge, das Palais Ekard oder die Palais Althan und Harrach.
Im Gegensatz zu den kaiserlichen Schlössern Schönbrunn und Belvedere haben sich bei den noch existierenden Gartenpalais des Adels keine Barockgärten erhalten. Entweder sie sind überhaupt verschwunden oder sie wurden zu Landschaftsgärten umgestaltet wie jene der Palais Schwarzenberg oder Liechtenstein. Der Grund für ihr Verschwinden liegt darin, dass die Gartenpalais ja unweit der Stadt erbaut wurden, um leicht erreichbar zu sein. Viele wurden unmittelbar am vor den Basteien liegenden Glacis, also in nächster Nähe der Stadtmauern, angelegt. Diese Adressen zählten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die rasch wachsende Stadt viel neuen Wohnraum benötigte, zu den teuersten Baugründen, sodass die Gärten vielfach einer ertragreichen engeren Verbauung geopfert wurden.
Text (in Anlehnung an) + Bild: www.burgen-austria.com
Vom neuerlichen Aufblühen der Palais bis zu ihrem Fall
Mit dem Wiener Kongress begann eine neuerliche Blütezeit der Wiener Palais. Da damals die High-Society Europas in Wien versammelt war und jeder jeden einzuladen hatte, mussten die alten Paläste modernisiert werden, um nicht ins Gerede zu kommen. Diese Modernisierung bezog sich je nach finanzieller Lage und Geschmack manchmal auf das gesamte Gebäude, oft aber nur auf die Innenräume und gelegentlich nur auf die den Besuchern zugänglichen Repräsentationsräume. Es entstanden aber auch einige neue Palais, etwa das Rasumofsky oder das Pálffy. Die für den Palaisbau bekanntesten Architekten jener Zeit waren Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg, Louis von Montoyer und Alois Pichl. Da nach wie vor die alten Stadtmauern bestanden und die Raumnot der Barockzeit unverändert war, wich man mehr und mehr auf die Vorstädte aus. Für Neubauten waren vor allem die heutigen Bezirke Landstraße und Wieden beliebt.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederum war für die alten Wiener Palais keine gute Zeit. Das Revolutionsjahr 1848 brachte eine drastische Veränderung der gesellschaftlichen Situation und die Beendigung der Vorherrschaft des Adels mit sich. Die Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes zum Bürgertum schlug sich auch in der Anzahl der alten Barockpalais nieder. Immer mehr davon wurden abgerissen, um Platz für Mietobjekte und Banken zu machen. Diese Entwicklung wurde auch durch die Aufhebung der Grundherrlichkeit des Adels gefördert, da sich dieser durch die sinkenden Erträge seiner Landgüter die Stadtpalais oft nicht mehr leisten konnte oder wollte. Eine ständige Anwesenheit bei Hof war durch die besseren Verkehrsverhältnisse meist nicht mehr erforderlich, sodass man sich wieder mehr auf seine Güter zurückziehen konnte. Zu den damals demolierten größeren Palästen zählen unter anderem die Stadtpalais Schwarzenberg, Lubomirski und Liechtenstein.
Dennoch entstanden auch zu dieser Zeit zahlreiche neue Paläste, die sog. Ringstraßenpalais. 1857 gab Kaiser Franz Josef den Auftrag, die inneren Befestigungen mit der alten Stadtmauer zu schleifen und an ihrer Stelle eine von Parks und Repräsentationsbauten flankierte Prachtstraße anzulegen. Diese „Ringstraße“ ist über 10 km lang und etwa 57 m breit. Während der Bereich zwischen Babenbergerstraße und Schottenring vorwiegend öffentlichen Bauten vorbehalten war, war jener zwischen Wollzeile und Babenbergerstraße vorwiegend als gehobenes Wohnviertel konzipiert. Hier entstanden auch die ersten Bauten, während Parlament, Rathaus, Universität und Burgtheater erst 15 Jahre später folgten.
Als Architekten waren Heinrich Ferstel und Theophil Hansen am bedeutendsten. Am fleißigsten war aber das Architektenteam Johann Romano und August Schwendenwein, von dem mehr als zehn Palaisbauten erhalten sind. Die Ringstraßenpalais waren im Stilgemisch des Historismus, also häufig im Neo-Renaissance- oder im Neo-Barockstil gehalten: Das moderne Palais des 19. Jahrhunderts ist eine Mischung aus adeligem Barockpalais, gehobenem bürgerlichem Mietshaus und Büro- bzw. Geschäftshaus. Die erst kurz zuvor nobilitierten Bauherren der Gründerzeit kamen vorwiegend aus der Finanzwelt und legten daher größeren Wert darauf, dass sich ihre beträchtlichen Bauaufwendungen auch rentierten. Es entstanden die sogenannten Zinspalais, deren Hausherren meist nur mehr die Beletage bewohnten und maximal ein zusätzliches Geschoss für Büros und Nebenräume nutzten.
in weiterer Unterschied zu den alten Palästen ist auch heute noch von außen zu erkennen: Um den Ertrag zu maximieren, wurde nunmehr häufig die Straßenfront des Erdgeschoßes Einzelhändlern zur Verfügung gestellt.
Mit dem Ersten Weltkrieg war die Zeit der Adelspaläste vorbei. Von nun an ging es nur mehr bergab. Bereits in der Zwischenkriegszeit häuften sich die Zerstörungen von Palais, doch war es naturgemäß der Zweite Weltkrieg, der die schwersten Substanzverluste brachte. Fast alle wichtigen Objekte wurden vernichtet oder schwer beschädigt. Die unmittelbare Nachkriegszeit brachte andere Sorgen als den Wiederaufbau von Adelsresidenzen. Erst in den 1960er-Jahren besann man sich wieder seines kulturellen Erbes und begann, die noch vorhandene Bausubstanz sorgsam zu restaurieren.
Was heute trotz der Bausünden der Vergangenheit noch vorhanden ist, ist zwar nur mehr ein bescheidener Rest der einstigen Pracht, doch reicht er aus, um Wien neben Rom, Paris und Prag zu jenen Städten zählen zu können, die den Glanz vergangener Jahrhunderte am besten bewahrt haben. Die heute noch vorhandenen Palais sind zum größten Teil in gutem Zustand, wenn es auch noch vereinzelt Problemfälle gibt, die einer Lösung harren.
Die heutigen Besitzer und Funktionen der Wiener Palais
Die Besitzverhältnisse der Wiener Palais haben sich seit dem Zweiten Weltkrieg stark verändert. So haben sich die ehemaligen adeligen Eigentümer von ihren zwar prestigeträchtigen, aber auch sehr aufwendigen Häusern weitgehend zurückgezogen. Verkauft wurden in dieser Zeit zum Beispiel die Palais Auersperg, Harrach, Kinsky, Schönburg und Esterházy (Wallnerstraße). In den letzten Jahren gingen mehr und mehr Palais in den Besitz von Immobiliengesellschaften über, die versuchen, die noblen Adressen gewinnbringend zu vermieten. So besitzt allein die ÖRAG die Palais Harrach, Esterházy (Wallnerstraße) und Kinsky.
Den Namen ihrer gegenwärtigen Besitzer tragen nur mehr die Palais Liechtenstein, Schwarzenberg, Pallavicini, Schönborn und Esterházy. Größter Palais-Besitzer Wiens ist allerdings die Republik Österreich selbst. Die Bauwerke beherbergen dabei oft (zusätzliche) Räumlichkeiten unterschiedlicher Ämter oder Ministerien. Zu Museen wurden die Palais Lobkowitz, Schönborn, Obizzi, Nákó und Erzh. Albrecht ausgestaltet, kulturellen Zwecken dienen die Palais Pálffy, Clam-Gallas und Sternberg. Auch bei ausländischen Botschaften sind die Wiener Palais als Sitz äußerst beliebt, so etwa die Palais Metternich (Italien), Falkenstein (Griechenland), Rothschild (Brasilien), Cumberland (Tschechien) und Larisch-Moennich (Irak). Einige Palais sind heute gepflegte Hotels, darunter die Palais Schwarzenberg, Württemberg (Imperial), Leitenberger und Henckel-Donnersmarck (Radisson SAS). Banken haben die Palais Batthyány (Constantia), Herberstein (RZB), Montenuovo (Österr. Kontrollbank) und Collalto (Bank Austria) übernommen.
Die Bezeichnung der Palais ist dabei nicht einheitlich. Meist erfolgt sie nach dem Bauherrn, oft auch nach dem letzten adeligen Besitzer oder jener Familie, die mit dem Gebäude am längsten verbunden war. Da manche Adelsgeschlechter in Wien mehrere Objekte besaßen, sind auch Doppelnamen üblich. Einige Palais haben im Laufe ihrer Geschichte mehrmals ihren Namen gewechselt. In dieser Arbeit werden jene Bezeichnungen verwendet, die in Wien am gebräuchlichsten sind. Da es mehrere Palais mit den gleichen Namen gibt (z.B. Esterházy, Pálffy, Liechtenstein, Schönborn), sollte bei einer Besichtigung bzw. für die korrekte Zuordnung immer auf die Adresse geachtet werden.
Die schönsten Wiener Palais zum Besichtigen
Viele Wiener Palais können heute nur von außen besichtigt werden, da ihr gegenwärtiger Verwendungszweck einen größeren Publikumsverkehr nicht zuläßt bzw. sie sich in Privatbesitz befinden. Allerdings ist es häufig möglich, einen Blick in das Vestibül bzw. das Stiegenhaus zu werfen. Dies sind auch jene Innenräume, die im Laufe der Zeit am wenigsten verändert wurden. Während der Touristensaison werden in den Festsälen mancher Häuser sogenannte Palaiskonzerte veranstaltet, sodass auch Teile des Inneren wie die Festsäle zugänglich sind. Jene Gebäude, die als Museen oder Hotels genutzt werden, stehen den interessierten Touristen natürlich weitgehend offen.
GEHEIMTIPP:
Am 26. Oktober, dem österreichische Nationalfeiertag, öffnen viele Regierungsgebäude, zu denen Besucher normalerweise keinen Zutritt haben, ihre Pforten für Besucher – darunter zum Beispiel das Winterpalais des Prinzen Eugen, das Palais Starhemberg und traditionell auch Teile der Hofburg. Außerdem ist am Nationalfeiertag in den meisten Bundesmuseen der Eintritt frei.
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